Das erste Date mit … Sookee

Alle Fotos von Jen Krause

Ich war mir ziemlich sicher, dass ich das erste Date mit Sookee verkacken würde. Vielleicht war es deswegen das “datigste” erste Date, das ich bisher in dieser Reihe gemacht habe. Eine gewisse Nervosität und Versagensangst gehört schließlich dazu, wenn man einen fremden Menschen zum ersten Mal trifft und auch noch möchte, dass man sich mag. Gemäß meiner Befürchtung kam ich dann auch erstmal fast eine Stunde zu spät, wofür ich zwar nichts konnte, aber was juckt das schon deine Verabredung, die entnervt warten muss? Wenigstens an Blumen hatte ich gedacht.

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Wir trafen uns in einem Tattoostudio und was folgte, waren unerwartet schmerzlose und enthüllende Stunden. Sookee verzieh mir meine Verspätung, meinen unangebrachten Humor und Nutzung von Worten wie “behindert”. Während sie sich eine Geige auf den Hintern tätowieren ließ, sprach die feministische Rapperin über den Drang, als Mädchen cool unter Jungs sein zu müssen und erzählte, warum sie sich für Rap entschieden hat und ob Männer eigentlich Angst vor ihr hätten.

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Noisey: Ich glaube, Tätowieren gehen ist eine sehr gute Aktivität für ein erstes Date.
Sookee: Ja, warum?

Das ist wie einen Horrorfilm angucken.
Ah, dass man sich so an den Anderen klammern kann? So Arm um die Schulter legen und sowas.

Genau. Hast du das schon mal gemacht?
Ja, aber nur aus Spaß. Ich hab bisher auch noch nichts auf dem Arsch tätowiert, also weiß ich gar nicht, wie sehr das weh tut. Vielleicht muss ich gar nicht klammern.

Es geht ans Anzeichnen. Sookee lässt die Hosen runter und ich stehe etwas unentschlossen in der Gegend rum, weil es hier nicht viel mehr für mich zu tun gibt, außer rumstehen und gaffen. Ein ungewohnter Perspektivenwechsel.

Stört es dich, wenn ich dir so unverschämt auf den Hintern glotze?
Es war mir ja klar, dass das passieren würde [lacht].

So schnell ging das Hüllen fallen lassen jedenfalls bisher noch nie.
Ach weißt du, ich finde dieses ganze Bohei darum, wer wann wie aussieht und ob man sich jetzt so oder so zeigen kann, nervt total. Ich kann das verstehen, dass es Dinge gibt, an die sich das Auge gewöhnt und das man deswegen schön findet. Und Make Up und Klamotten mag ich natürlich auch. Aber gerade so das Thema Körperbehaarung und Körperformen ist so anstrengend.

Entweder man sollte super schlank sein oder zumindest dicke Titties und einen fetten Arsch haben.
Genau. Ich bin 33. Natürlich sieht mein Arsch nicht mehr aus wie mit 19. Aber ich finde es schön, dass es da jetzt auch so ne Gegenbewegung gibt. Ich fand das total großartig, was Alicia Keys mit ihrer “No Make Up”-Aktion gestartet hat.

Ich hab bei der Aktion ehrlich gesagt das ganze Lob nicht verstanden. Als ob es jetzt so ein revolutionärer Schritt wäre, kein Make Up mehr zu tragen. “Wow, sie trägt kein Make Up mehr, wie mutig!” Nein, das ist eigentlich völlig normal.
Aber für viele ist es das eben nicht. Weißt du, wie viele junge Mädchen lieber die Schule schwänzen, statt ungeschminkt in den Unterricht zu gehen? So viele Frauen machen sich ‘ne Platte darum, wie sie am nächsten Morgen aussehen, wenn sie das erste Mal bei ‘nem Typen schlafen. [Tätowiererin Ina setzt die Nadel an und Sookee entfährt ein hoher Ton der Überraschung] Huilululu!

Tuts weh?
Nein, es kam nur überraschend.

Also das ist jetzt eine Geige? Oder ein Cello?
Eine Geige, das sieht man an der Kinnstütze! Es ist eine Arschgeige!

Ahhhhh!
Keiner peilts! [Tätowiererin Ina merkt an, dass sie es auch nicht gepeilt hatte].

Naja, später ist es dann vielleicht irgendwann ein Arsch-Cello.
Ich dachte, es wär an der Zeit, mal den Witz zu machen.

Ich mache damit eine kleine Insta-Story, OK?
Ja. Ich habe ja ein bisschen gebraucht, bis ich das ganze Story-Zeug verstanden hab. Aber ich bin ja auch schon ein bisschen älter.

Ach was, mein Freund ist 34 und sein Grind ist utopisch.
Wie du hast ‘nen Freund? Ich dachte, wir haben hier ein Date!

Oh, ja. Na gut, dann ist es jetzt raus: Ich bin eine Hure.
Vielleicht könnt ihr das ja miteinander klären.

Viele Männer nehmen einen Seitensprung mit einer Frau ja nicht so ernst wie mit einem Mann. Das ist dann so “ach ja Mädels, so sind die halt unter Freundinnen”.
Ich halte das für hochgradig homophob. Also wenn sich in einem Hetero-Kontext eine Frau mit einer anderen Frau trifft und mit der rumknutscht oder auch pennt und das dann als freundschaftliche Spielerei unter Frauen verharmlost wird – oder das sogar als “geil” betitelt wird. Dabei sind Frauen eigentlich die größere Bedrohung.

Warum?
Weil Lesben oder Frauen liebende Frauen ja keine Männer brauchen. Männer sind dann einfach krass raus. Das ist eigentlich die viel größere Bedrohung. Wobei ich natürlich nicht möchte, dass sich irgendjemand bedroht fühlt. Ich finde es zum Beispiel auch bescheuert, wenn Frauen mit Frauen rummachen, um einen Kerl zu beeindrucken oder einfach, mal um es auszuprobieren.

Ach wieso sollte man das nicht einfach mal ausprobieren dürfen?
Also klar ist ausprobieren OK, aber ich finde dieses Katy Perry-Ding, “du bist mir völlig egal, ich will nur mal antesten, I don’t Even know your name” kacke.

Um fair zu sein: Ich hab bestimmt auch schon Typen geküsst, deren Namen ich jetzt nicht mehr weiß oder sogar damals nicht wusste.
Ja, aber andersrum existiert dieses “Freundin von”-Phänomen auch nicht. So wie in den Jungsgruppen, wo ein Typ alle paar Wochen ‘ne neue Olle anschleppt, deren Namen man sich erst gar nicht merkt. Das ist eben eher ein Phänomen, das Frauen trifft und seltener Männer. Und deswegen find ich es auch nicht gut, wenn Frauen eine Lesbe ausnutzen, um mal “auszutesten” wie es ist und das dann auch noch so abwerten, dass das ja eh bedeutungslos ist.

Was magst du noch nicht an Frauen?
Ich mag an Frauen alles und nichts, weil Frauen sind ja nicht gleichartige Wesen. Ich mag Dinge an konkreten Menschen oder eben Dinge an konkreten Menschen nicht. Aber es gibt kein weibliches Verhalten, dass ich allgemein ablehne.

Ich schon. Stutenbissigkeit ist das Schlimmste.
Ich finde alles schlimm, was entsolidarisiert. Wenn Frauen sich gegenseitig als Konkurrenz wahrnehmen und schlecht machen, um cooler zu wirken beispielsweise, wobei das auch nur verinnerlichter Sexismus ist. Frauen machen das nicht, weil sie Arschlöcher sind, sondern weil es so gelernt haben.

Auf “Freundin von” sprichst du davon, selbst früher so gewesen zu sein.
Ja total, ich hatte dieses “Frauen sind Konkurrenz”-Ding voll verinnerlicht und habe mich extrem am männlichen Maßstab orientiert. Als ich damals mit meiner Jungs-Clique abgehangen bin. Ich habe immer gefürchtet, wenn andere Frauen dazu kamen, dass die meinen Status angreifen wollen. Bis ich gemerkt hab, dass das totaler Quatsch ist und dass andere Frauen mich eher bereichern, als dass sie mir schaden. Ich hasse auch dieses, “Ist die Rapperin besser als die andere?” Ist doch scheiß egal, Alter! Der findet die gut, und ein anderer findet eine andere gut.

Da liegt aber auch an Kunst an sich. Kunst ist eine kompetitive Ausdrucksform, vor allem Musik. Und darunter ist HipHop abermals besonders auf den Wettkampf ausgerichtet. Bis heute diskutieren die Leute, ob Tupac oder Biggie der bessere Rapper war.
Ja, aber da werden zwei konkrete Männer miteinander verglichen. Aber ja, ich komme generell mit Wettbewerben und erster zweiter, dritter Platz nicht klar. Ich finde, Konkurrenz macht das Leben voll schlimm.

Als Rapperin entkommst du einem gewissen Konkurrenzkampf aber nicht. Wie nimmst du das da wahr?
Ich empfinde das nicht so. Was für Konkurrenz? Ich mach meine Sache, fertig is. Chartplatzierung, verkaufte Hallen, das ist mir alles Wumpe. Ich hab dieses ganze Battle-Thema – und jetzt nicht im Sinne von Battlerap – sondern dieses “Wer chartet wie, wer verkauft wieviel” einfach nicht drin.

Aber man muss doch wissen, wer den Längsten hat!
Nee, ich bin da nicht anfällig für. Zum Glück! Hab ich mich aber auch erst rauswühlen müssen. Ich will sowas einfach keine Macht über mich geben. Ich hab auch keine Angst, von irgendwem gedisst zu werden, weil dann würde ich dem ja Macht über mich und mein seelisches Wohlsein geben. Dann diss mich halt, mir doch egal, Alter. Das trifft übrigens vor allem die Jungs. Jungs haben es heute auch schwer, allein was Gruppenzwang und sowas angeht.

Ina ist fertig und wir betrachten das vollendete Werk. Alle sind sehr glücklich und durstig. Wir gehen ins nächste Café um die Ecke, das zufälligerweise ganz in lila gehalten ist – Sookees Lieblingsfarbe. Daten können wir!

Total. Es gibt sehr viele Frauen, die ich kenne, die immer noch ein hypermaskulines Männerbild haben, das vollkommen behindert ist.
Ja, man ist Männern gegenüber oft sehr unsensibel. Ich kannte mal einen Jungen, der früh seine Mutter verloren hatte. Und bei jedem “Deine-Mutter”-Spruch hab ich in seinem Gesicht gesehen, wie ihn das kränkt. Sowas hätte ich halt nie gesagt. Mich schaudert es auch jedes Mal, wenn du Worte wie “behindert” oder “Spast” sagst.

Oh, hab ich das gesagt?
Schon zwei Mal. Sowas würde mir nie über die Lippen gehen. Ich kenne Leute mit Behinderungen und es gibt voll viele, die damit cool sind. So Serdar Somuncu-mäßig, “Jeder muss gedisst werden, erst dann ist das die wahre Integration”. Ich seh das anders.

Also kannst du echt gar nicht über eine Line wie “Ich bring den einzig wahren Ghettorap auf Deutsch, deine Kettenraucher-Mutter hängt im Lesbenchat und säuft” lachen?
[Kleine Pause] Ich find den Witz nicht gut. Also nee, bei mir bewegt sich da kein Mundwinkel. Es gibt eine Line von so ‘ner alten Zecken-Rap-Kombo, die ging: “Es heißt nicht ‘Fick deine Mutter’ sondern ‘Grüß deine Mutter’”. Damit kann ich gut fahren.

Was denkst du dann über mich als Frau, die über eine solche Line lacht?
Ich denke, dass deine Sensibilität an dieser Stelle weniger ausgeprägt ist als meine. Aber es ist in Ordnung, schließlich reden wir darüber und hören einander zu, um den anderen zu verstehen und rennen nicht raus, weil wir uns nichts zu sagen hätten.

Meinst du, Menschen haben manchmal Angst vor dir? Im speziellen Typen?
[Lacht] Ich glaube schon, dass viele nervös sind. Aber Angst … Ich tu ja keinem was! Je näher die Leute mich kennenlernen, merken sie auch, dass ich nicht wegen sowas durchdrehe. Ich werde das thematisieren, aber das finde ich gerade respektvoll und höflich. Wenn ich mir denken würde, “Alter, die Leute von Noisey sagen ‘behindert’ und ‘Spast’ und kriegen gar nichts auf die Kette”, aber dich nicht darauf ansprechen würde, das fände ich uncool von mir.

Warum hast du dich ausgerechnet für Rap als Musikform entschieden?
Ich hab HipHop über Graffiti kennengelernt. Das war auch noch bevor ich mit meiner Jungs-Clique rumgehangen bin.

Hast du selbst gemalt?
Ich hab gemalt, aber nie besonders gut. Daher kommt auch mein Name übrigens. Aber ich war mehr so ein Black-Book-Maler als ein Wände-Maler, weil ich das da auch schon zu krass fand, was dieses Männer-Ding anging. Die boxen sich die ganze Zeit, der eine reißt sich die Hand am Stacheldraht auf und alle filmen und feiern, dass da der Knochen rausguckt. Naja und dann ging das in den 2000ern in Berlin so los, dass alle, die gesprüht haben, auch angefangen haben zu rappen.

Was hast du damals gehört?
Also die Platte damals war NLP von MOR, da war ich auch auf der Record Release Party damals. Das war so mein Ding.

Was ja durchaus Battlerap inklusive Schimpfwörtern und Sexismus ist.
Ja, aber zum Beispiel “Bei mir”, was so DER Song damals war, der hatte dennoch so viel Kreativität. Das war halt anders. Und natürlich war das damals auch cool, diejenige zu sein, die nicht sagt, “Ihhh ist ja voll eklig, was sagen die denn da?” und “Die Schlampe, von der die reden, damit ist ja jemand anders gemeint und nicht ich.” Das würde ich heute nicht mehr machen.

Würdest du das jetzt nicht mehr hören?
Ich würde es anders hören. Was ich nicht mag, ist wenn sich Rapper mit dem Argument der Kunstfreiheit rausreden. Denen geht es nämlich meistens um das Geld, nicht um die Kunst, wenn sie solche Lines sagen. ‘Nem Farid Bang ist es wichtiger, Kohle zu machen als Kunst zu machen, darauf würd ich meinen frisch tätowierten Arsch verwetten! Ich bin nicht die BPjM. Ich bin nicht für Zensur. Aber ich bin dafür, dass Leute bewusst tun, was sie tun und andererseits auch bewusst konsumieren.

Dann muss ich dir noch die ultimative Date-Frage stellen: Hunde oder Katzenmensch?
Boah, das ist schwierig. Katzen kacken drinnen, mit Hunden muss man rausgehen. Katzen haben ihren eigenen Willen, Hunde sind dafür offener und liebenswürdiger … Ich kann mich nicht entscheiden.

Ich finde, man sollte sich auch nicht immer entscheiden müssen.
Genau, voll! Alle kleinen, lustigen, süßen Viecher!

Besonderer Dank geht raus an die geduldige Tätowiererin Ina Bär und das Tattoostudio “Unikat” in der Karl Marx Straße 149 in Berlin.

Sookee geht im neuen Jahr auch auf Tour. Hier die Termine:

16.02.18 ERFURT – Kalif Storch
05.04.2018 WIESBADEN – Schlachthof
06.04.2018 FREIBURG – Jazzhaus
07.04.2018 BERN – Frauenraum
19.04.2018 ZÜRICH – Dynamo
20.04.2018 NÜRNBERG – Desi
21.04.2018 REUTLINGEN – Franz.K

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