An dieser Stelle erscheint zweiwöchentlich Manfred Klimeks VICE-Kolumne „Zahltag”. Die darin veröffentlichten Texte bilden ausschließlich die Meinung des Autors ab.
Es geht heute um Armin Wolf, Großinquisitor der Rechtschaffenen und Anständigen, Fragen-Fallensteller, Max Headroom der Innergürtel-Bobos und einziger Grund, Gebühr über Gebühr zu zahlen. Als Armin Wolf vor vier Wochen von der Existenz dieser Kolumne erfuhr (weil es ihm einer aus dem ihn beliefernden Herr-Wolf-ich-weiß-was-Denunzianten-Pack gesteckt hat), antwortete er auf Twitter—jenem Medium der sprachlichen Kurzstrecke, das für ihn erfunden wurde—, dass die Welt keine weitere Hasskolumne braucht.
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Da hat er recht. Das habe ich in mir reifen lassen. Denn Tatsache: Was derzeit generell an Hassorgien abgeht, lässt mich manchmal wünschen, die sozialen Medien fielen einem tödlichen und vor allem unbesiegbaren Virus zum Opfer. Geiferndes Gesindel entlädt Urin und Kot, nennt das Meinung und lamentiert dann auch noch über die Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn jemand sagt, sie sollen einfach nur mal die Fresse halten.
Hätte Facebook eine Türe und ich könnte eintreten, dann hätte ich jeden Tag mindestens drei Schlägereien, wie damals im zweiten Hieb, wo ich aufwuchs, am Mexikoplatz, um auch den Tatort zu nennen. Da gab es schon „den Ausländer” als noch niemand von ihm sprach und sich auch keiner vor ihm fürchtete. Schlägerei. Schlagen. Da war doch was. Ach ja: Armin Wolf schrieb vor geraumer Zeit in seiner Facebook-Republik, dass er als Kind ordentlich durchgeprügelt wurde. Das war ein langer Text, also nix Twitterkurzes, der auch irgendeinen Bezug zum damaligen Zeitgeschehen hatte. Den habe ich aber vergessen.
Die Zeilen haben mich einen kurzen Augenblick aber auch vergessen lassen, dass Armin Wolf der eitelste und unsympathischste Geck des österreichischen Journalismus ist. Doch wie er da über sein Geprügeltwerden schrieb, auch mit dieser Unerbittlichkeit zu sich selbst, das hat mich angerührt. Wegen dieser Unerbittlichkeit. Und freilich, weil auch ich als Kind ordentlich durchgeprügelt wurde. Wegen jedem Scheiß. Wenn man als Kind den Teppichklopfer, genannt „Pracka” über alle Teile des Körpers gezogen bekommt, bis man vor Wut zu schreien aufhört, dann weiß man, was Wolf in seiner Kindheit erlebt—und ja! erlitten—hat.
Und man versteht auch, warum er ein Abwesender ist, eine Kunstfigur, der Anständige schlechthin, das moralische Gewissen des Journalismus, warum er seine Fragen stellt, wie er sie stellt. Warum er Ankläger ist. Warum er auch belanglose Fragen, deren Antwort man ahnt und kennt—also Fragen, die gar nicht gestellt werden müssen—in einem anklagenden Ton ausfertigt. Bevor der Bassena-Psychologe mit mir durchgeht, zu Wolfs Tun und Werk.
Eine Instanz nennen sie ihn. Weil er den lächerlichen Stronach hinstreckte—diese fleischgewordene ländliche Schlichtheit.
Sicher kann Armin Wolf nichts dafür, dass ihn die Anständigen anhimmeln. Also die, die sich für anständig halten, weil sie glauben das richtige Weltbild zu haben. Das lautet: FPÖ = pfuigack, ÖVP = Volltrotteln, SPÖ = Hirnederln, Neos = Kokser, Grüne = suuuupieee, leiiwaand, Raaadweeeeg. Dieser schlichten, aber einflussreichen Schicht, kann diese Dudu Kücükgöl reindrücken, dass Kopftuch tragen und dem Ehemann gehorchen richtig geil feministisch ist. Und für einen Zungenkuss mit Jean Jacques edlen Wilden sind sie bereit, alle blutig erkämpften Freiheitsrechte über Bord zu werfen.
Diese Gemeinschaft irrlichternder Bürgerlicher, die glaubt, links zu sein, versammelt sich wie hinbefohlen vor der Flachglotze, wenn Armin Wolf so gegen 22:12 Uhr beginnt, einem Delinquenten Fragen zu stellen. Denn so fragen, so bohren, so mit gleichgültiger Miene auch böse sein, so vorführen wie Wolf kann eben kein anderer Fernsehheini in Österreich. Das ist das eigentliche Armutszeugnis von Land und Leuten, denn verglichen mit manchen deutschen und vielen britischen Interviewern ist Armin Wolf ein Limp-Biscuit.
Eine Instanz nennen sie ihn. Weil er den lächerlichen Stronach hinstreckte—diese fleischgewordene ländliche Schlichtheit. Dabei hat der Kotflügelschmied sich selbst vorgeführt. Wolf brauchte ihn nur reden lassen. Wenn Wolf Politiker wie diese abscheuliche Mikl-Leitner gegenübersitzen, dann kann man an seiner Gefrierschrankmiene erkennen, dass er die „Frau Minister” geringer schätzt als die schäbigste Kellerassel in seinem Weinkeller. Das kriegt die „Frau Minister” freilich auch mit und verhält sich dementsprechend verhalten. Bei so einem Interview kommt dann auch nichts Gescheites raus—Hauptsache, Wolf hat’s ihr gegeben und die Bobopartie kann feixen.
Morgen sind die Trotteln aber alle noch in Amt und Würden. Freilich stimmt man mit Wolfs augenscheinlicher Verachtung überein, denn diese von allen Talenten verlassenen Funktionäre einer intellektuell siechen Parteienlandschaft veranlassen die wenigen, die noch über den Tellerrand namens Staatsgrenze hinausschauen, vor Scham die Staatsbürgerschaft zurückgeben zu wollen. Dass diese Staatslenkungs-Versager überhaupt bei Wolf das Maul aufmachen dürfen und danach ungestraft in ihre großzügigen Palais-Büros zurückkehren, verdanken wir vor allem den Fans von Wolf, diese neubürgerliche Grünwählerelite, die diese Kretins an die Macht gelassen hat.
Denn es waren heute hoch bezahlte Werber, Journalisten und sonstige Freiberufler („Berater” und andere Scheinberufe), die in den Achtziger- und Neunzigerjahren ihre begonnenen Politspielchen abbrachen, den Parteien entflohen und sich lukrativeren Tätigkeiten zuwandten. Davon sind tatsächlich alle drei nicht-rechtsextremen Gesinnungsgemeinschaften betroffen, also SPÖ, ÖVP und Grüne.
Die Abgehenden überließen die Institutionen den kreativbefreiten Apparatschik-Karrieristen, also Gestalten wie dieser Gusenbauer, der seine Kohle aus einem riesigen Land zwischen Islam und Russland bezieht, wo man die Menschenrechte auf Toilettpapier druckt. Diese Leute hätten aufgrund ihrer geistigen Beschränktheit keine Karriere gemacht, wenn die Straße nicht frei gewesen wäre.
Armin Wolf ist deswegen so erfolgreich, weil sein jeweiliges Gegenüber im System gefangen ist, sein Ich als freie Person aufgegeben hat und im Studio nur eingetrichterte Sätze lallt. Solchen herumlaufenden Niederlagen kann man fürwahr leicht eine reinsemmeln, denn so manche Replik erreicht nichtmal den verdorrten Verstand der hohlen Sprechpuppen.
Wolfs scharfes Fragen freut die Guten und Gerechten, die für die Flüchtlinge auch mal 50 Euro spenden, bevor sie sich ein Flascherl Naturwein (Kennzeichen: lange Maischestandzeit) in ihre Zalto-Gläser kippen. Man wähnt sich in Solidargemeinschaft mit Wolf, der immer schnieke und gediegen seine Interview„partner” hinrichtet, der das Verlangte zuverlässig abliefert, längst nur mehr Vollstrecker der Claqueure, die einen wie ihn an der Konfrontationsfront haben wollen, weil man selber ja zu feige ist, außerhalb des im Einverständnis lebenden Bobopack-Kreises Flagge zu zeigen.
Auf eine Demo geht man nur, wenn noch 250.000 andere da sind, die Kerzen halten und Lichtermeer spielen. In diesem Sandkasten der hochanständigen Zwischendurchempörung muss man sich nicht fürchten, dass die Bullen ihre Gummiknüppel sprechen lassen. Doch Armin Wolf ist ein Dominostein im Machtspiel. Ein Feigenblatt. Den, den man lässt, denn man weiß, er kann und wird nie richtig gefährlich werden.
Er ist—und das ahnt er sicher selber—die Aufführung eines Zustands namens kritischer Journalismus und Medienfreiheit, die in Österreich, anders als in Deutschland, von vielen Kompromissen bestimmt wird. Wolf ist wie seine Claqueure nur eine Randnotiz, machtlos wie die Lichtermeer-Bequembobos.
Das sind prominente Journalisten wie Wolf anderswo auch. Aber sie haben Mut zu einem Moment Anarchie, zu einem Aufbegehren gegen die zugeteilte Rolle. Es ist die Gemütlichkeit, das heimtückisch Überfreundliche, das Fluchtachterl am Naschmarkt, das einem Wien so schön macht, dass man alles erträgt, was anderswo zu einem Amoklauf anregen würde.
P.S.: Zu der Kritik am Grundthema der Kolumnenreihe möchte ich sagen, dass ich freilich weiß, dass es Menschen gibt—Menschen, auf die meine Beschreibung passt—, die sich stark und mit hohem persönlichen Einsatz in der Flüchtlingsfrage engagieren. Ich kenne einige dieser Leute. Sie sind hier nicht gemeint.