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Politik

Die NPD ist verboten ... nicht?

Wenn die Eilmeldungen die Wahrheit überholen, kann schonmal eine ganze Partei verschwinden.

Heute hat das Verfassungsgericht innerhalb weniger Sekunden gleich zwei Entscheidungen von historischer Tragweite getroffen: einmal, die NPD zu verbieten. Und einmal, sie nicht zu verbieten. Ein fast unmöglicher juristischer Kraftakt, den den Deutschen so schnell keiner nachmachen wird!

Tatsächlich ist die Wahrheit: Das Gericht hat nur eine dieser beiden Entscheidungen getroffen, nämlich, die NPD nicht zu verbieten. Trotzdem meldeten mehrere deutsche Medien direkt nach Beginn der Urteilsverkündung um kurz nach 10 Uhr, die NPD sei jetzt verboten.

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Zum Beispiel hier:

Oder hier:

Oder hier:

Oder auch hier:

Aber während man sich noch Gedanken darüber machte, was das für Konsequenzen haben würde in einer Situation, in der die NPD längst nicht mehr die Bedeutung hat wie noch vor ein paar Jahren und in der die rechte Bedrohung deutlich komplizierter geworden ist, passierte plötzlich das hier:

Und dann das hier:

Und schließlich das hier:

Offenbar ist da irgendwas so richtig schiefgelaufen. Die Redaktionen versuchten, das so schnell wie möglich auszubügeln.

Außerdem entschuldigte man sich für das "Missverständnis". Die Tagesschau hat mittlerweile erklärt, was der Grund dafür war: Die Richter hätten "zuerst nämlich den Antrag der Bundesländer auf ein Verbot verlesen—und erst dann das Urteil". Was das Ganze nicht weniger unangenehm für die anwesenden etwas übereifrigen Journalisten macht.

Also: Die NPD wird nicht verboten. Der Grund: Keiner interessiert sich mehr für sie. Obwohl die Richter eine verfassungsfeindliche Gesinnung bei der Partei feststellten, habe sie nicht das Potenzial, die Demokratie in Deutschland zu gefährden.

"Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt", so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in der Begründung. Die Partei habe es nicht geschafft, dauerhaft in Parlamenten vertreten zu sein. Es sei auch nicht zu erwarten, dass sich das ändere.

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Die Bundesländer hatten den Verbotsantrag 2013 gestellt. Es ist bereits der zweite Versuch. 2003 scheiterte das Verfahren daran, dass fast ein Dutzend V-Leute des Verfassungsschutzes in der Parteiführung tätig waren.

Viele sahen das Verbotsverfahren kritisch, so die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert.

Das Verfahren, so die Stiftung, offenbare die Konzeptlosigkeit der Länder im Kampf gegen Rechts. Grünen-Politiker Volker Beck stellt fest: Das Verfassungsgericht hat die NPD bloßgestellt, indem das Gericht feststellte, es fehlten jede Anhaltspunkte, dass sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchsetzen können. Zunächst die Blöße gegeben haben sich allerdings die extra eiligen Journalisten, die eine vor sich hin darbende Partei fälschlicherweise für völlig tot erklärt haben.

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