Sex, Drugs and Volks-Rock’n’Roll: Die versaute Welt des Schlagers

Schon damals in der Volksschule, als Sofaplanet mit „Liebficken“ in den Charts waren, hat es mich fürchterlich aufgeregt, dass sich die alten Leute (damals war jeder über 15 „alt“) so über den Text empört haben. Wir hatten als Kinder ohnehin keine Ahnung, was wir da eigentlich am Weg in die Schule sangen und sobald wir es kapiert hatten, war es uns peinlich. Geändert hat sich an der Situation bis heute allerdings wenig: Mamas schimpfen über die Poster von halbnackten Popstars über dem Bett, Papa wettert gegen die Texte von Bushido und die Oma will von dem ganzen „neumodernen Zeugs“ sowieso nichts wissen.

Jedenfalls habe ich schon als Kind den Kritikern von „Liebficken“ an den Kopf geworfen, dass Schlager-Texte viel schlimmer seien. Nun—weit über ein Jahrzehnt später—kann ich das endlich beweisen. Die Wortwahl im Schlager mag vielleicht subtiler sein, allerdings ist die Message dahinter umso schmutziger. Was für Sido der Block ist, sind für Schlagersänger eben die Berge und die Seen.

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Ich habe mich durch diverse Schlager gequält und diese für euch interpretiert. Ich rede hier übrigens nicht von Ballermann und Après-Ski-Hits, sondern von Liedern, die eure Oma auf Radio (füge hier dein Bundesland ein) hört, während sie Erdbeermarmelade einkocht. Vermeintlich harmlose Songs, bei denen es angeblich um zwischenmenschliche Beziehungen, Heimatliebe oder Sport geht. Für einige vorgestellte Textpassagen braucht man wirklich kein sonderlich versautes Gemüt vorweisen, um zu verstehen, was uns die Interpreten damit mitteilen wollten. Bei manchen Zeilen muss man jedoch der Porno-geschädigte, postpubertäre Typ Mensch sein, um die ganze Tiefe zu erfassen und zwischen den Zeilen so oft wie möglich „Penis“ zu lesen.

Weil ihr natürlich nicht alle zu dieser Sorte gehört, übernehme ich das für euch. Ich hoffe, ihr wisst das zu schätzen, denn es war verdammt schwer, Schlager zu hören und dabei versaute Gedanken aufrecht zu erhalten. Ich wollte mir eigentlich nur die Kopfhörer vom Schädel reißen und mich erschießen. Ich habe mich selbst beim Schunkeln ertappt und eine Lebenskrise durchgemacht, die ich erst in meinen 50ern erwartet hätte. Aber egal, nun zu den Lyrics!

Nockalm Quintett—„Zieh dich an und geh”

„Zieh dich an und geh, bevor was geschieht. Was glaubst denn du, was passiert, wenn meine Freundin dich hier sieht? Bitte du musst geh’n, denn sie kommt um halb 10!“

Um diesen Text zu verstehen, muss man nicht sonderlich weit denken. Wer auch immer den Text verfasst hat, hat seine Freundin betrogen und hat nun Angst, von ihr ertappt zu werden. Das ist nicht sonderlich lobenswert und auch nicht cool. Ich weiß nicht, ob das Nockalm Quintett sich damit ein Bad-Boy-Image erarbeiten will. Das kauft ihnen sowieso niemand ab, auch wenn ihre neue Single „Du warst der geilste Fehler meines Lebens“ so „geil“ ist, dass er auf Radio Kärnten nicht gespielt wird.

Zillertaler Schürzenjäger—„Macho-Mathik”

„Kaum hab’ i sie entdeckt, da hab’ i sie tscheckt und sag’ ihr: für mi bist a 8 und könnt es di intressier’n, di mit mir zu addier’n, wird a 18 daraus heut Nacht.“

Wow, die Zillertaler Schürzenjäger haben ein ziemlich großes Ego. In ihrem Song Macho-Mathik benoten sie Frauen nach einem Punktesystem und geben sich selbst gleich eine Zehn. Ich würde ihnen für die Lyrics eine minus Drei geben, denn von einer Addition mit der geilen Acht können die urigen Schürzenjäger nur träumen. Das Plusrechnen ist hier natürlich eine Umschreibung für Sex, falls ihr es immer noch nicht kapiert habt.

Andreas Gabalier—„Fesche Madln”

„Des kloane Mäderl war nix gschamig und setzt sich auf den Buam drauf und sie mocht des erste Knopferl von ihrm engen Bluserl auf. Nimmt des rosarote Spangerl aus die zopferlgflochtnen Hoar, do fangt ihr Herzerl an zum schlogn, weil er flüstert ihr ins Ohr: Fesche Madl brauchn flotte Buam hollero, zum Zuwadruckn, Liabm und zum Gspiarn.“

Die Vorstellung, dass Gabalier mit einem viel zu jungen Mädchen auf seinem Schoß im Park sitzt und ihr ins Ohr flüstert, löst bei mir Gänsehaut aus. Die Verniedlichungen wie Zopferl und das rosarote Haarspangerl lassen die Angebetete auch nicht gerade volljährig erscheinen. Dass dieser Song von tausenden Altenheimbewohnern und Zeltfestbesuchern mitgeträllert wird, lässt für mich die Hoffnung auf eine zivilisierte Gesellschaft schwinden.

Chris Lind—„Würden Frauen Sünde sein”

„Und gibt’s mal einen Tag ohne Frauen, das wär’ doch fast ein Supergau. Wir Männer würden schnell kapier’n, dass ohne Frauen wir fast rotier’n. Deswegen lieben wir sie heiß; wir wollen sie um jeden Preis.“

„Rotieren“ reimt sich nicht nur schön auf „onanieren“, sondern es ist wohl auch die lächerlichste Metapher, die ich seit langem gehört habe. Was passiert, wenn man das Wichsen satt hat, beschreibt Chris Lind gleich in der nächsten Zeile: man geht zu einer Prostituierten, koste es, was es wolle.

Marianne Rosenberg—„Ich denk an dich”

„Ich denk’ an dich vertausendfacht. Wenn alles schläft, dann lieg’ ich wach. Ich denk’ an dich, was ich auch tu’, mein Herz schlägt schnell und schuld bist du.“

Auch Frauen müssen manchmal selbst Hand anlegen. Wie das so läuft, beschreibt Marianne Rosenberg meiner Meinung nach in ihrem Text zu Ich denk an dich.

Udo Jürgens—„Der Mann mit der Mütze”

„Der Mann mit der Mütze geht nach Haus. Die lange Zeit des Langen, sie ist aus. Der Mann mit der Mütze geht nach Haus! Und Uns’re Achtung nimmt er mit und unseren Applaus! Du warst ein General mit Herz!“

Hier wird das Interpretieren schon deutlich schwieriger. Für mich ist der „Mann mit Mütze“ eindeutig ein unbeschnittener Penis und das ganze Lied beschreibt seinen An- und Abstieg als Liebhaber. Udo Jürgens ist scheinbar in der Gemeinschaft der impotenten älteren Herren angekommen und hat seinem besten Stück ein Lied geschrieben, was ich ja irgendwie sehr süß finde.

VoXXclub—„Rock Mi”

„Auf gehts, jetzt ist’s wieder so weit, auf gehts, heut wird nichts bereut. Komm, zeig mir no a bisserl, i wills a bisserl wissen, rock mi heut Nacht. [ … ] Schau mir in die Augen, Kleine, du bist a ganz a Feine, rock mi heut Nacht. Drah di um, drah di um, bis der Tanzbodn kracht.“

Dieser Song ist verbreitet sich im Alpenvorland schneller als die Grippe in einem U-Bahn-Waggon und ist auch fast genauso ekelhaft. Meine bemitleidenswerte Freundin, die sich zurzeit ein Krankenhauszimmer mit zwei alten Frauen teilt, muss diesen Schwachsinn mindestens ein Mal pro Stunde ertragen. Dabei hilft einem der Text bestimmt nicht dabei, schneller gesund zu werden, denn es geht eindeutig um einen One-Night-Stand von irgendwelchen Bergbauern. Dabei gehen die scheinbar mit Frauen um wie mit Hunden und wollen von ihnen „gerockt“ werden, bis „der Tanzboden kracht“. Was das bedeutet, muss ich euch nicht erklären, oder?

Udo Jürgens—„Die verbotene Stadt”

„Unsichtbar schrieb dein Blick Feuerzeichen in die Nacht. Tausend Jahre in einem Moment und der Drachen der Angst, der die Phantasie bewacht, floh, bevor das Gefühl ihn verbrennt. Seitdem werde ich von Träumen nicht mehr satt. Unterwegs in die verbotene Stadt.“

In diesem Song geht es meiner Meinung nach um Analverkehr. Ob es sich um eine homo- oder heterosexuelle Beziehung handelt, konnte ich leider nicht feststellen, jedoch ist es eindeutig, dass mit der „verbotenen Stadt“ ein Arschloch gemeint ist. Udo hat dieses einschneidende Erlebnis scheinbar so fasziniert, dass er noch heute davon träumt und dem ganzen Spektakel zusätzlich noch ein Lied gewidmet hat.

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