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​Silvester nicht zu feiern ist noch schlimmer, als es schon zu tun

Hier sind ein paar Geschichten, die euch zur Zusage bei der nächstbesten halbwegs OK klingenden Party treiben werden.
Spritzkerzen, Sektflöten, Gasmasken. Jeder wie er will. Foto: Jan Bommes | Flickr

Ja, wir wissen Bescheid: Silvester ist eigentlich ein völlig willkürliches Datum, diese Massenhysterie ist total idiotisch und außerdem sollen die Leute, die gerne Kracher werfen, gefälligst in den Krieg ziehen. Eh. Aber wisst ihr was? Geburtstage sind genauso willkürlich, Massenhysterien gibt es auch beim Konzert eures Lieblings-Rappers und wenn ihr wirklich in euch hinein hört, habt ihr Kriegspielen als Kind selber noch lustig gefunden.

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Also tut uns und euch einen Gefallen und hört auf, so zu tun, als würdet ihr komplett drüber stehen. Silvester geht uns alle an und um euch aufs Schlimmste vorzubereiten, sind hier schon mal ein paar Geschichten, die euch mit ziemlicher Sicherheit zur Zusage bei der nächstbesten halbwegs OK klingenden Party treiben werden.

KRANK UND ALLEIN MIT PORNOS

Vor drei Jahren war ich an Silvester krank. Also nicht „Ich glaub, ich hab ein bisschen Schnupfen"-krank, sondern ich lag so richtig mit einer eitrigen Angina flach. Mich machte das eigentlich gar nicht so traurig, weil ich über Jahre hinweg meinen Hass auf Silvester kultiviert hatte. Ich habe mir eine Familienpackung Eis gekauft und ein halblustiges Foto auf Facebook gepostet: Mein PC (irgendein Adventure-Game) neben meinem Laptop (irgendeine Porno-Seite) und dazu ein „Viel Spaß euch allen heute Abend!" Dann schloss ich meine Zimmertür für den Abend.

Ich gehöre eigentlich nicht zu den Menschen, die es schlimm finden, zuhause zu bleiben, wenn alle anderen feiern. Dachte ich immer. Aber Silvester ist irgendwie anders. Wenn man um Mitternacht weiß, dass jeder unterwegs ist, sich die ganze Stadt gerade in den Armen liegt und sich ein frohes neues Jahr wünscht, ist das schon irgendwie ein seltsames Gefühl. Vor allem, weil man durch ein gigantisches Feuerwerk konsequent daran erinnert wird.

Das Gefühl verstärkt sich dann auch noch über den Abend hinweg. Man schaut gelegentlich aufs Handy, hofft, dass sich Freunde oder die Freundin melden und schiebt die Ruhe zu seiner eigenen Beruhigung aufs überlastete Netz. Irgendwann geht man dann ins Bett und fühlt sich sehr einsam.

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Das ist dann zum Glück am nächsten Morgen vorbei. Natürlich weiß ich, dass es Menschen gibt, die das gerne haben. Und ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die leider niemanden haben, mit dem sie feiern können, obwohl sie gerne würden. Vor allem letzteren wünsche ich, dass sich diese Situation ändert oder der Abend zumindest schnell vorbei geht.

Was ist dieses „nüchtern", von dem alle reden?

Seit ich 15 war, lief Silvester mit meinen Freunden mehr oder weniger gleich ab. Wir trafen uns irgendwo um Party zu machen—und Party zu Silvester bedeutete neben Bleigießen und Feuerwerk vor allem noch mehr Drogen zu nehmen als sonst. Anfangs war es Alkohol und Gras, später dann auch Ecstasy, Speed und Halluzinogene, als es in Wien aufkam auch pures MDMA, und bei den Leuten, die neben der Schule schon Jobs hatten, auch das teurere Koks.

2012 veranstalteten Freunde in einem Lokal die obligatorische Silvesterparty. Ich kam schon eingeraucht und besoffen vorbei. Auf dem Weg hatte ich außerdem eine kleine Portion Schwammerl gefressen, die langsam zu wirken begannen.

Am nächsten Tag (also: am 2. Jänner) wachte ich mit ungeheuren Bauchschmerzen auf und mein Serotoninhaushalt hatte Privatkonkurs erklärt. Alle Glückshormone waren weg, ich fühlte mich wie Scheiße. Die Sache wurde auch nicht besser, als ich mir aus irgendeinem Grund einbildete, Caligula schauen zu müssen, der nicht gerade bekannt dafür ist, positive Vibes zu verbreiten. Ich versuchte irgendwann, etwas zu Essen, kotzte es aber gleich wieder aus.

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Nach Jahren der mehr oder weniger immergleichen Silvesterpartys hatte ich 2013 keine Lust mehr, so weiter zu machen. Ich beschloss deshalb, das neue Jahr nicht mit einen kompletten Abschuss einzuleiten und entschied mich dafür, einfach zuhause zu bleiben.

Die Sache lief dann recht unspektakulär ab. Ich telefonierte mit ein paar Leuten ("Nein. Ich komm nicht. Nein. NEIN. NEIN!!!"), sah fern, sah um Mitternacht aus den Fenster und ging dann irgendwann schlafen. Ich wachte am 1. Jänner fit auf. Es war nicht spannend, aber ich habe es nicht bereut.

2014 war ich wieder unterwegs, ging es aber ruhiger an und ließ auch die Afterhour aus. Ich versuchte zu der Zeit sowieso gerade, meinen Drogenkonsum auf ein gesellschaftlich akzeptiertes und persönlich verträgliches Maß zu reduzieren. Auch dieses Jahr habe ich nicht vor, 2012 zu wiederholen.

Mein kaputtes Pärchenneujahr

Ich habe mit meiner damaligen Freundin entschieden, dem Silvester-Wahnsinn zu entfliehen und da meine Eltern über Neujahr wieder irgendwo in Europas Metropolen herumgurkten, quartierten wir uns einfach im gemütlichen Haus meiner Jugend ein—inklusive Kachelofen und allem.

Da meine Freundin aber unter Depressionen litt, konnten weder sexy Négligées, noch nackiges durch die Zimmer Flitzen oder mein geiler Schmorbraten die Festtagsapathie fernhalten. Wir kletterten am 31.12. um 00:00 Uhr auf das Garagendach unserer Siedlung, tranken wortlos Billigsekt und schauten dem doch sehr ländlichen, aber imposanten Feuerwerk zu.

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Der restliche Silvesterabend verging ein bisschen langweilig und sehr distanziert vor dem Fernseher mit einem Gefühl, bereits 87 zu sein und der Gewissheit, dass der meiste Krach der sein würde, den wir beim Streit am nächsten Tag machen würden.

Als wir im neuen Jahr aufwachten, dachte meine Ex nämlich, ich hätte eine Flasche Jägermeister ausgetrunken—in Wahrheit war sie einfach schon fast leer gewesen, als ich sie in die Finger bekommen hatte, aber das ist eine andere Geschichte. Ich glaube, Silvester kann auf viele Arten super funktionieren—ob mit der richtigen Person oder auch ganz alleine. Es kann aber auch grandios nach hinten losgehen, wenn man sich in einen Lagerkoller reinsteigert. Aber was soll ich sagen; es war immer noch besser als das Neujahrskonzert.


Titelbild: Jan Bommes | Flickr | CC BY 2.0