Vor ein paar Monaten, auf einer ganz gewöhnlichen Party, beichtete mir ein Freund, dass er einmal bei einer Afterparty in Brüssel Crack probiert habe. Das war ein Schock. Wenn ich an Leute denke, die Crack nehmen, denke ich an verlorene Seelen, die in der Nähe von Bahnhöfen herumlungern und nicht an Menschen in ihren Zwanzigern mit geregeltem Arbeitsleben.
Der Europäische Drogenbericht hat festgestellt, dass der Crack-Konsum in Europa stetig zunimmt. So hat sich die Zahl der Menschen, die wegen Crack-Problemen eine Drogentherapie machen, von 2016 bis 2020 schätzungsweise verdreifacht. 2021 wurden bei einer EU-finanzierten Abwasseranalyse an allen Tagen und in allen 13 teilnehmenden Städten Crack-Rückstände gefunden. Auch in Deutschland verbreitet sich Crack, auch wenn nach wie vor vornehmlich in Zentren wie Frankfurt am Main, Hamburg und Hannover viel Crack konsumiert wird.
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Crack ist eng mit Kokain verwandt, aus pharmakologischer Sicht sind die beiden Drogen fast identisch. Kokain ist ein zu Pulver verarbeiteter Extrakt der Kokapflanze. Crack wird hergestellt, indem man dieses Pulver in einen kleinen Klumpen umwandelt, damit es leichter zu rauchen ist. Durch diesen Prozess ist Crack auch höher konzentriert als Kokain. Außerdem ist der Effekt durch das Rauchen stärker und von kürzerer Dauer als beim Schnupfen.
“Die Wirkung von Crack ist von Person zu Person verschieden”, erklärt Félix Hever, ein Toxikologe am Universitätsklinikum Brugmann in Brüssel. Im Prinzip aktiviert Crack das sympathische Nervensystem (Sympathikus) und setzt Dopamin, Noradrenalin und Serotonin frei. Dieses System ist vor allem für schnelle Reaktionen wie den Flucht- oder Kampfinstinkt verantwortlich, weshalb Crack ähnliche Symptome hervorruft wie Stress – schneller Herzschlag, Schwitzen, erhöhte Wachsamkeit.
“Kurz gesagt ist es, als bereite sich der Körper auf große physische Anstrengung vor”, fasst Félix Hever zusammen. “Auf psychischem Level erlebt man einen Zustand der Wachheit und der starken Stimulation. Das assoziieren wir mit Euphorie, Selbstvertrauen und Enthemmung.”
Kokain und Crack sind chemisch vielleicht fast dasselbe, aber das soziale Stigma, das den beiden Substanzen anhaftet, könnte nicht verschiedener sein. Crack galt schon immer als schmutzige Droge für arme Menschen und Minderheiten, während Kokain eher ein glamouröses Statussymbol der gehobenen Schichten ist.
Trotzdem berichtet Félix Hever, dass er zunehmend reiche Patienten behandle, die wegen der starken Wirkung Crack rauchten. “Das Abhängigkeitsrisiko ist jedoch beachtlich, und die psychischen und physischen Folgen können verheerend sein”, fügt er an. Um nur ein paar zu nennen: Lungenerkrankungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Psychosen, Depressionen und Hepatitis C (wegen geteilter Pfeifen und Lippenherpes).
“Vielleicht wird das niemanden abschrecken”, fährt Hever fort, “aber meiner Meinung nach sind einige Drogen viel gefährlicher und folgenschwerer als andere, und Crack ist eine davon.”
Ich habe mit ein paar Leuten aus meinem Bekanntenkreis gesprochen, die Crack ausprobiert haben. Ihre Namen wurden geändert, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Mein Fazit: Crackrauchen ist viel verbreiteter, als man vielleicht denkt.
“Es ist ein kleines Wunder, dass ich nicht das Bedürfnis habe, es wieder zu nehmen”
“Ich habe vor etwa fünf Jahren Crack probiert. Ich war ziemlich unglücklich und kam gerade von der Arbeit, also bin ich nach Soho gefahren, um etwas Koks zu kaufen und high zu werden. Aus Instinkt fragte ich einen Obdachlosen, ob er jemanden kenne oder mir welches verkaufen könne. Er war total aufgeregt und überredete mich, ihm das Geld zu geben, damit er es für mich holen konnte. Ich kam mir sofort wie ein Idiot vor, weil ich dachte, er hätte mich gerade verarscht. Aber fünf Minuten später kam er mit einer kleinen Tüte zurück.
Ich holte meine Kreditkarte heraus, aber der Typ sagte, es gebe einen besseren Weg, es zu nehmen. Ich müsse es nur in eine Zigarette packen und sie anzünden. Ich rollte mir eine und zog daran, als ich sah, wie der Typ eine Flasche herauszog und ein Loch hineinschnitt. Erst da habe ich kapiert, dass ich überhaupt kein Koks rauchte.
Der Zug, den ich gerade genommen hatte, war ziemlich groß und die Wirkung setzte sehr schnell ein. Es war, als wäre alles um mich herum vereist, alles wurde langsam, kühl und angenehm. Ich muss zugeben, es war einer der besten Trips meines Lebens, obwohl er sehr kurz war – 15 Minuten später fühlte ich mich wieder relativ normal. Ich bin einfach zurück nach Hause gefahren.
Ich habe sehr lange darüber nachgedacht und beschlossen, es nicht noch einmal zu nehmen. Ich würde mich als sehr empfänglich für Süchte beschreiben, deshalb ist es ein kleines Wunder, dass ich nicht das Bedürfnis habe, es wieder zu nehmen.” – James, 25, London
“Ich hörte eine Art dumpfes Pfeifen und merkte, dass das, was ich genommen hatte, wirklich stark war”
“Ich war erst 20 Jahre alt und gerade nach Berlin gezogen. Ich fing an, mit diesem Typen rumzuhängen. Er hat meine ersten Tattoos gestochen und irgendwann fing er an, mich auf einen Haufen Partys mitzunehmen. Mit ihm war auch das erste Mal, dass ich einige Drogen ausprobierte.
Ich hatte immer gedacht, Crack wäre ein großes Tabu für mich. Aber dann war ich eines Abends in seiner Wohnung. Er wohnte mit seiner Freundin zusammen, die auch viel Party machte. Wir fingen an, Lines zu ziehen, und ich unterhielt mich mit seiner Freundin. Alles lief ziemlich gut, bis ich anfing, seltsame Sachen zu bemerken.
Der Typ hatte Plastikflaschen rausgestellt und Löcher reingeschnitten, um eine Art Pfeife zu bauen. Ich fragte sie, was darin sei, und beide meinten, sie würden das rauchen, um “sich an ihr früheres Leben zu erinnern”. Wir haben uns weiter unterhalten und kurz darauf hatte ich das Ding in der Hand. Ich habe nicht wirklich Fragen gestellt, ich habe einfach geraucht. Ich hörte eine Art dumpfes Pfeifen und merkte, dass das, was ich genommen hatte, wirklich stark war. Danach hatte ich richtig heftige Kopfschmerzen.
Immer wenn ich den Abend mit diesem Pärchen verbrachte, nahm ich viel zu viele Drogen, es war wirklich besorgniserregend. In dieser einen Nacht war ich so fertig, dass ich nicht mehr von dort wegkam. Diese Erfahrung ist jetzt Teil meines Lebens, aber ich habe keine guten Erinnerungen daran – und ich will niemals wieder in diesen Zustand geraten.” – Alexandre, 23, London
“Der Comedown ist immer richtig schlimm – ich war ganz depressiv und verunsichert über mein Leben”
“Ich war 20 Jahre alt, als ich das erste Mal Crack probierte. Ich war auf einer Party in London und suchte nach einer Ausrede, um den Abend in die Länge zu ziehen, als ich ein paar Leute kennenlernte, die mich zu einer Afterparty bei sich einluden.
Irgendwann fingen Leute an, etwas in Alufolie zu rauchen. Ich war fasziniert und stellte ein paar Fragen, weil ich so was noch nie gesehen hatte. Sie haben mir gesagt, dass es Crack ist, und mir was angeboten. Ich habe nicht darüber nachgedacht und mir das Alu-Teil direkt geschnappt. Ein paar Minuten später hatte ich so was wie eine allergische Reaktion – meine Lippen sind stark angeschwollen und ich bekam einen Ausschlag auf der Stirn. Es war schrecklich und hat eine Woche gedauert, bis alles verheilt war.
Danach habe ich es sehr lange nicht noch mal probiert, bis vor drei Monaten, nachdem ich nach Bangkok gezogen bin. Dieses Mal war ich komplett nüchtern, bevor ich es genommen habe. Es war unglaublich: Ich fühlte mich glücklich und selbstbewusst, alles auf einmal. Ich habe überhaupt nicht geschlafen – ich erinnere mich nur an ein zehnminütiges Nickerchen. Ich wollte weder essen noch Wasser trinken. Aber dann, zwölf Stunden später, war ich total hirntot. Ich konnte nicht mal ein normales Gespräch mit meinem besten Freund führen, ich wollte einfach nur allein sein.
Einen Monat später habe ich es nochmal genommen und die gleiche Erfahrung gemacht. Der Comedown ist immer richtig schlimm – ich war ganz depressiv und verunsichert über mein Leben. Viele Leute in Thailand rauchen Crack, also habe ich beschlossen, nicht mehr mit den Einheimischen abzuhängen, die es mit angeboten hatten. Sie rauchen es fast jeden Tag, obwohl sie alle sauber und ordentlich aussehen.” – Kevin, 27, London / Bangkok
“Einer reichte mir etwas, das aussah wie eine aus einer Plastikflasche gebaute Pfeife. Ich habe es ohne zu zögern geraucht”
“Es war letzten Sommer. Ich war mit einem Kumpel beim Kiosk in Brüssel [ein freies Radio, das aus einem Park livestreamt]. Wir trafen eine Gruppe extravaganter Leute, die aussahen, als wüssten sie, wie man feiert. Bei Sonnenaufgang beschlossen wir, bei ihnen zu Hause eine Afterparty zu starten. Ich war schon ziemlich betrunken, aber alles war bestens – die Vögel haben gezwitschert, es war schön warm und die Leute waren wirklich nett.
Als wir dort ankamen, sah ich zwei Typen in der Küche mit etwas herumhantieren. Einer von ihnen reichte mir etwas, das aussah wie eine aus einer Plastikflasche gebaute Pfeife. Ich habe es ohne zu zögern geraucht. Wie gesagt, ich war echt betrunken, also hat mich das Zeug nur ein paar Stunden länger wachgehalten. Ich wusste nicht wirklich, was ich gerade geraucht hatte.
Acht Stunden später saß ich mit meinem Freund in der U-Bahn. Wir tauschten uns über den Abend aus und begriffen, dass ich Crack geraucht hatte. Ehrlich gesagt fand ich es lustig – ich hatte Crack immer mit absoluter Eskalation assoziiert. Würde ich es nochmal probieren? Es ist nichts, was meine Freunde nehmen, also ist es unwahrscheinlich, dass sich in nächster Zeit die Gelegenheit ergibt.” – Nathan, 25, Brüssel / London
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