Drogen

Mythos Drogentest—Lass dich nicht verarschen

Ein Plastikpenis, der beim Drogentest bei der Polizei zum Betrug genutzt wird

Jeder kennt diese Tests. Wenn du im Straßenverkehr angehalten wirst, musst du pusten oder pissen, eventuell wirst du auch zur Blutabnahme aufgefordert. Doch es gibt diese Gerüchte von einen Freund von einem Freund, der bei der Polizei ist, der meint, dass du den Pisstest verweigern kannst und sie dich bei unter 0,7 Promille gehen lassen müssen und so weiter.

Um dem Ganzen mal auf Grund zu gehen, habe ich mich mit einem Polizisten, einem Verkäufer im Headshop und einem MPUler (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) unterhalten, was es für Methoden es gibt, wann sie dich anhalten dürfen, was erlaubt ist und was nicht und wie du sie alle verarschen kannst.

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Als Erstes solltest du wissen, dass ein Urintest immer freiwillig ist. Aber im Zweifel machst du lieber den als einen Bluttest, zu dem sie dich richterlich zwingen können—vorausgesetzt, der Polizist glaubt zu erkennen, dass du nicht nüchtern bist. Zum Blasen in Atemalkoholmessgeräte kann man ebenso nicht gezwungen werden. Grundsätzlich gilt im deutschen Recht nämlich noch, dass niemand dazu verpflichtet ist, an seiner Überführung aktiv mitzuwirken.

Die Polizei darf dich allerdings anhalten und testen, wenn du im Straßenverkehr Scheiße baust oder auffällig bist. Nicht aber auf einer Party oder wenn du zu Fuß unterwegs bist. Außer du randalierst, oder machst sonst irgendwas, das gewaltig aus dem Rahmen fällt.

 Wir haben mit Stefan Drescher, Polizeihauptkommissar, über Drogentests gesprochen

Erst war ich also bei Stefan Drescher, Polizeihauptkommissar bei der Verkehrsunfallbekämpfung

Urin-Vortestgeräte setzt die Polizei seit 2007 ein. „Vorher haben wir Speichel- und Schweißtests benutzt. Die waren aber gerade im Hinblick auf die Bestimmung von THC nicht sonderlich zuverlässig und werden deswegen so gut wie nicht mehr verwendet“, erklärt mir Stefan Drescher, der Polizeihauptkommissar bei der Verkehrsunfallbekämpfung in Berlin. Mit dem Test finden sie Amphetamine, Opiate, Methamphetamine, Kokain und Cannabis in deinem Körper.

Diese Urintests sind lediglich Hilfsmittel für die Polizisten, können aber nicht als Beweismittel gegen dich eingesetzt werden, dich aber wie gesagt entlasten. Atemalkoholkontrollen mit einem stationären Messgerät hingegen gelten als Beweismittel. Ganz im Gegensatz zu Messungen mit Atemalkohol-Vortestgeräten, die nicht beweiskräftig sind. Die Pissgeräte sind aber ein Anhaltspunkt für die Polizei und haben „eine Erkennungsrate von etwa 80 Prozent“, erzählt mir Drescher.

Utensilien für einen Drogentest

Der Ablauf ist simpel. Du füllst einen Becher mit Urin und das wird dann auf den Test gegeben. Hast du vorher was genommen, wird das als drei Kontrollstreifen auf dem kleinen Plastiktester angezeigt. Dank der aufgezeichneten Markierungen und der sehr ausführlichen Anleitungen auf dem kleinen Gerät könnte wahrscheinlich sogar ein Frettchen deinen Urin auf Crack-Kokain testen.

Die Tests helfen den Beamten zu entschieden, ob ein Bluttest durchgeführt werden soll oder nicht; denn nur dieser ist neben den stationären Atemalkohol-Messgeräten letztendlich beweiskräftig dafür, ob jemand während der Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss einer Substanz stand und damit eine Straftat begeht und überführt werden kann.

Der Urintest allein reicht für diesen nächsten Schritt allerdings auch nicht aus, sagt Drescher: „Der Beamte braucht einen begründeten Verdacht und muss noch weitere Anhaltspunkte finden, die Rückschlüsse darüber erlauben, ob jemand unter Drogen oder Alkohol steht. Es werden also Körpertests und Erfahrung benötigt, um zum Beispiel erweiterte Pupillen, starke Nervosität, Alkoholgeruch oder andere Anzeichen für Drogen- oder Alkoholkonsum zu erkennen.“ Wie sich Leute auf Drogen denn nun genau verhalten, lernen die Beamten bei einem einwöchigen Lehrgang auf der Polizeischule mit Übungen zu Theorie und Praxis.

Ein Drogentest in Nahaufnahme

Wenn du dich gegen einen Urintest wehrst, der Polizist aber glaubt, dass du drauf bist, kannst du nur nach einer richterlichen Anordnung festgehalten, zur nächsten Polizeidienststelle gebracht und dort zum Bluttest gezwungen werden. Obwohl eine Blutentnahme einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und das Recht auf deine körperliche Unversehrtheit darstellt, sind richterliche Beschlüsse durch Bereitschaftsrichter übers Telefon oft schnell zur Hand.

Wenn der Test positiv ausfällt, musst du mindestens 500 Euro hinblättern, kriegst eine Ordnungswidrigkeiten- beziehungsweise Strafrechtanzeige, vier Punkte in Flensburg, einen Monat Fahrverbot und den Führerschein entzogen. Außerdem musst du regelmäßig zu Drogenscreenings erscheinen und psychologische Tests mit dir machen lassen; die sogenannte Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU). „Das dauert dann meistens etwa ein Jahr. Damit hat die Polizei dann aber nichts mehr zu tun“, sagt mir Drescher.

mann im auto mit einer tüte drogen in der hand

Das bring uns zu Louis, einem Bekannten von mir, der den schönen Prozess des MPU mitmachen durfte

Wie langsam und geradezu schmerzhaft das deutsche Beamtentum tatsächlich mahlt, erzählt mir Louis aus erster Hand. Er wurde im Club für einen Dealer gehalten und zur Polizei gebracht. Die fand ein halbes Gramm Gras bei ihm und nahm seine Personalien fest. „Eine Woche später bekam ich einen Brief vom TÜV NORD, dass ich zur MPU erscheinen solle. Da ich auch sonst gerne mal was geraucht habe, war der allererste Haartest positiv und mein Führerschein weg“, erzählt er weiter.

Erst bei diesen Drogenscreenings im Rahmen der MPU werden Haare analysiert. Diese Tests sind zwar teuer, aber auch tendenziell sinnvoller und genauer. Denn hier kann je nach Haarlänge auch ein Konsum nachgewiesen werden, der schon sehr lange zurückliegt. Stellt euch einfach die Jahresringe bei einem Baum vor—so ähnlich lagern sich auch Inhaltsstoffe von Drogen in euren Locken ab.

Wegen des Verdachts auf regelmäßigen Drogenkonsum hatte die Führerscheinstelle ein komplettes ärztliches Gutachten mit etlichen psychologischen Tests, Gruppensitzungen und dazugehörigen Drogenscreenings verlangt. Ein Urintest jeden Monat kostet 30 Euro, ein Haartest etwa 100 Euro, muss aber nur halbjährlich abgegeben werden, wenn man—so wie Louis—bereit ist, sich die Haare lang genug wachsen zu lassen. Das ganze Prozedere um ein halbes Gramm Gras im Club, ohne auch nur ansatzweise am Verkehr teilgenommen zu haben, kostete ihn den Führerschein, etwa zwei Jahre seiner Lebenszeit und rund 5.000 Euro für die ganzen Tests und Sitzungen.

Clean Urin Mittel

Aber man kann das System auch austricksen

Nach einer kurzen Internetrecherche werde ich mit zahlreichen Mitteln für das Betrügen bei einem Urintest belohnt. So soll man kurz davor sehr viel Wasser, Tee oder Fruchtsaft trinken—mindestens zwei Liter—um den Urin zu verdünnen, jedoch kein Koffein zu sich nehmen.

Dummerweise ist verdünnter Urin um ein Vielfaches heller und kann so wegen Verdacht auf Manipulation unter Umständen nicht akzeptiert werden. Auch Sport oder ein Saunabesuch sollen helfen, weil THC und andere Drogeninhaltsstoffe sich an das Körperfett binden und so schneller abgebaut werden. Schlechte Nachrichten für alle Vegetarier: Man soll auf jeden Fall Fleisch essen; viel davon, weil eine vegetarische Ernährung den Spiegel des Stoffwechselprodukts Kreatinin im Urin senkt und so nicht mehr normal erscheint. Deswegen wird deine Pisse womöglich auch hier gleich abgelehnt und du darfst später noch mal zu einem Test erscheinen.

Unterschiedliche Drogen

Generell wird sowieso empfohlen, mindestens eine Woche vor dem Test sehr viel zu essen. Besonders reichhaltige Nahrung setzt im Körper neues Fett an, in dem sich die Stoffwechselzwischenprodukte des THC verstärkt anreichern. Sie gelangen so angeblich gar nicht oder weniger ins Blut, somit auch nicht in den Urin und können nicht nachgewiesen werden.

Wie viel Wahrheit in diesen Behauptungen steckt, ist schwer zu sagen. Fest steht aber in jedem Fall, dass die Nachweisbarkeit individuell vom Konsum, vom Körperfett, vom Stoffwechsel und vielen anderen Dingen abhängt.

Ein großen Vorteil haben haben Urin-, Schweiß- und Speicheltests allerdings doch. Du musst schon innerhalb der letzten Tage Drogen genommen haben, sonst kann man dir nichts nachweisen. Dabei liegt die Dauer der Tage, in denen Drogen im Urin nachgewiesen werden können, je nach Substanz und bei einmaligem Genuss irgendwo zwischen einem und sieben Tagen. Nur bei täglichem Konsum von Drogen sind diese teilweise noch Wochen später nachweisbar. Dauerkiffer sind hier also klar im Nachteil. Ein Urintest kann außerdem nur schwer aussagen, ob du zum genauen Zeitpunkt der Untersuchung unter Einfluss von verbotenen Substanzen stehst. Die Grenze der Wahrnehmung liegt im Urin beispielsweise bei 1 Nanogramm THC pro Milliliter oder 10 Nanogramm Kokain pro Milliliter—hast du weniger, müssen sie dich gehen lassen.

Auch fernab der genannten Hausmittelchen gibt es noch eine Menge anderer Tricks um beim Urin-Test zu bescheißen. Einige Leute schmuggeln Kondome mit—natürlich sauberem—Fremdurin von Oma oder Apfelsaft (der übrigens auch bei richtiger Temperatur als solcher erkannt wird) in die Untersuchung; sogar Hundepisse soll schon gefunden worden sein. Doch das ist noch nicht alles.

Ein Joint mit der Aufschrift

Im Headshop gibt es noch weitere Tricks und Hilfsmittel, die dir helfen, die Polizei und den Staat zu verarschen.

Dort wird, zum Beispiel unter dem Namen CleanU, synthetischer Urin in Beuteln mit 25ml für Tests verkauft: „Solltest du mal zwei bis drei Tage vorher was geraucht haben und trotzdem Auto fahren wollen, musst du das Beutelchen in deiner Unterhose verstecken und kannst das dann beim Test in den Becher schütten. Das ist auf jeden Fall sehr beliebt“, erzählt mir Paul, der Verkäufer hinter der Ladentheke. Ihm zufolge liegt die Erfolgsquote dafür bei 85 bis 90 Prozent.

Für die, die beim Urintest trotzdem nichts dem Zufall überlassen wollen, eignet sich der Screeny Weeny 4.0. Ein (wirklich überraschend echt aussehender) Gummipenis, den man zusammen mit dem künstlichen Urin—oder anderen ähnlichen Flüssigkeiten—ebenfalls in der Unterhose versteckt. Ein kurzer Druck auf da Gerät sorgt dafür, dass der Fake-Urin aus einem Beutel die Penisattrappe täuschend echt verlässt.

Auch sogenannte „Cleaner“, pulverige Substanzen zur Urinreinigung, werden angeboten: „Wenn du weißt, dass du zum Urintest musst, mischst du das Pulver mit Wasser und trinkst es vier bis fünf Stunden vor dem Test. Allerdings ist es nicht sonderlich verträglich und führt bei einigen Kunden zu Erbrechen, gerade wenn es zu schnell getrunken wird“, erklärt mir Paul fachmännisch weiter. Auch hier liegt die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg angeblich bei 98 Prozent—laut Paul.

Eine Katze umgeben von Marihuana

Erst bei Blut- und Haartests wird das Betrügen schwierig bis unmöglich. Droht eine Analyse der Haare, hilft das Abschneiden, und den Test möglichst weit nach hinten zu schieben. Das Benutzen von besonders aggressiven Shampoos oder Haarreinigern ist nur bedingt vielversprechend und führt im schlimmsten Fall zu schweren chemischen Reizungen auf der Kopfhaut. Mal ganz davon abgesehen, dass viele Mittel sowieso bei der Kontrolle entdeckt werden und ihr den Test noch mal machen müsst. Da so ziemlich jedes Körperhaar (auch die Augenbrauen) für die Analyse genutzt werden kann, bringt euch das Abrasieren auch nur etwas, wenn ihr nach einer Ganzkörperrasur bereit seid, wie ein Nacktmull auszusehen.

Auch für Blutkontrollen existieren Nahrungsergänzungsmittel, die angeblich die Substanzen im Blut überdecken. Doch auch hier gilt: nichts ist sicher. Im Zweifelsfalls ruiniert ihr euch mit merkwürdigen Chemiecocktails die Gesundheit.

Das Problem ist, dass viele der Tricks der Polizei bereits bekannt sind: „Wir hatten erst neulich die Bundeswehr und auch Polizeibeamte hier. Die halten sich auf dem neuesten Stand, was das Betrügen bei solchen Tests angeht“, erzählt Paul.

So gibt es mittlerweile Urin-Becher, die mit einem Kreatinin-Teststreifen versehen sind. Wenn ein bestimmter Grenzwert über- oder unterschritten wird, zeigt der Teststreifen an, dass es sich nicht um echten Urin handelt, und die Probe gilt als manipuliert. Wer hier also etwas anderes als gesunden, warmen Mittelstrahl in den Becher füllt, wird erwischt und darf eine neue Probe abgeben. Allerdings werden diese, zumindest nicht in nächster Zeit, in Deutschland benutzt.

Auf die Frage hin, warum er etwas verkauft, mit dem bei einem Drogentest vorsätzlich betrogen werden kann, sagt uns Paul: „Natürlich sollte man nicht fahren, wenn man unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol steht. Aber vieles läuft drogenpolitisch bei uns sehr, sehr falsch. So ein kleines Tütchen hat, wenn man es denn wohl dosiert, noch nie jemandem weh getan. Deswegen finde ich, dass man sich da auf jeden Fall auch gegen übertriebene Kontrolle wehren kann.“ Also schnallt euch einen Gummischwanz um und wehrt euch endlich!