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risikospiele

Der Fußballosten—ein einziges Risiko?

Der DFB macht alle Ost-Duelle der dritten Liga zu Risikospielen. Nicht nur, dass der ganze Fußballosten vorverurteilt wird—die Bundesländer müssen zusätzlich Millionen für Polizeieinsätze zahlen.
Foto: Imago

Am Freitag startet die 3. Liga mit dem Ost-Duell Magdeburg gegen Erfurt in die neue Saison. Es wird in der neuen „Ost-Liga" mit acht Mannschaften (Aue, Dresden, Rostock, Cottbus, Erfurt, Chemnitz, Halle und Magdeburg)aus der ehemaligen DDR-Oberliga zu jeder Menge Derbys mit hohem Zuschauerinteresse und noch mehr Tradition kommen. Für die Zuschauer und Vereine eigentlich ein Fest, doch der Deutscher Fußball Bund (DFB) fürchtet vor allem die alten Fanrivalitäten. Der Verband hat deshalb nach Informationen des MDR alle Ost-Duelle in der 3. Liga zu Risikospielen erklärt.

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Bei Risikospielen, bzw. Hochsicherheitsspielen, müssen wegen einer vermuteten Gefahrenlage vor allem mehr Ordner- und Polizeikräften eingesetzt werden. Wo eine „vermutete Gefahrenlage" zu finden ist, entscheidet der DFB zusammen mit den Vereinen, der Polizei und der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze". Zusätzlich wertet der Verband die Sportgerichtsurteile aus. Vier Wochen vor einem brisanten Spiel gibt es eine erneute Absprache. Zwei Wochen vorher wird endgültig festgelegt, ob die Begegnung ein Risikospiel ist. Die Vereine sind dann verpflichtet die „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen mit besonderer Sorgfalt" durchzuführen. Seit dem Sicherheitspapier 2012 entscheidet in der 1. und 2. Bundesliga in erster Linie der Heimverein (und in Beratung mit den übrigen Parteien), ob es sich um ein Risikospiel handelt oder nicht. Für die 3. Liga gilt das Sicherheitspapier nicht. Dort entscheidet der DFB in Absprache mit den Vereinen und der Polizei, ob eine Ansetzung zum Risikospiel wird.

Das sind die Maßnahmen, die ein Risikospiel nach sich ziehen:

  • die Begrenzung des Verkaufs der Eintrittskarten für die Stehplatzbereiche.
  • die strikte Trennung der Anhänger in den Zuschauerbereichen.
  • das Einrichten sogenannter „Pufferblöcke".
  • die Verstärkung des Ordnungsdienstes.
  • die Bewachung der Platzanlage mindestens in der Nacht vor der Veranstaltung.
  • die Begleitung der Gästefans durch Ordner des Gastvereins und das Verbot des Verkaufs.
  • der öffentlichen Abgabe von alkoholischen Getränken.

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Die Kosten explodieren vor allem für kleinere Clubs und die Bundesländer. Die Ausgaben für die Polizeieinsätze bei Risikospielen sind so immens, dass das Land Bremen eine Beteiligung der Deutschen Fußball Liga (DFL) und somit der Vereine fordert. Denen schmeckt das natürlich gar nicht–der Ausgang ist immer noch offen. Die Kosten sollen im Einzelfall ermittelt werden, doch Bremens Innensenator Ulrich Mäurerbezeichnete 300 000 Euro pro Spiel als realistisch. In NRW startete man zur Freude von Fans, Vereinen und Politik ein Pilotprojekt mit der Reduzierung von Polizeikräften bei Nicht-Risikospielen. Dennoch fordern Polizeigewerkschaftler wie Rainer Wendt oder NRW-Innenminister Ralf Jäger schon lange Veränderungen. Jäger und die Innenministerkonferenz hatten DFB und DFL Ende Juni gebeten, für ein „personalisiertes Ticketing", die „Reduzierung der Gästekarten", ein Alkoholverbot und Beförderungsverbote in Bussen und Bahnen für Störer zu sorgen.

Fans, aber auch Offizielle bei den Verbänden und Politiker kritisieren diese meist plakativen Vorstöße und Forderungen. Dennoch haben DFB und DFL in den vergangenen Jahren umfangreiche Aktivitäten für die Sicherheit im Profifußball gestartet–meist zum Leidwesen der Fußballfans. Beispiele hierfür sind der Zehn-Punkte-Plan für mehr Sicherheit im Fußball 2010, die Einführung der Task Force Sicherheit 2011, die erste bundesweite Sicherheitskonferenz im Fußball 2012 oder das von Fans massiv kritisierte Eckpunktepapier „Sicheres Stadionerlebnis" aus dem Jahr 2012.

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Die generelle Anlegung von Hochsicherheitsspielen für alle Duelle von Ostvereinen in der 3. Liga durch den DFB findet mit dem Fußballverband Sachsen-Anhalt auch Kritiker in den eigenen Reihen. „Man darf die Vereine aus dem Osten nicht stigmatisieren und ihnen Ausschreitungen von vornherein schon anhängen", kritisiert Erwin Bugar vom Fußballverband Sachsen-Anhalt. „Es ist kein Phänomen der Nordostdeutschen Fußballs, sondern ein bundesweites Phänomen und das kann nicht dazu beitragen, dass man diese Spiele nur noch unter diesem Fokus betrachtet." Er trifft es auf den Punkt.

Fear and Loathing in der Regionalliga Nord/Ost

Die zahlreichen ostdeutschen Teams in der 3. Liga sorgen dafür, dass es nur zwei Spieltage in jeder Saisonhälfte gibt, an denen es zu keinem Ost-Duell kommen wird. Die überzogene Angst von Behörden und Verbänden vor den ostdeutschen Krawall-Horden wird teuer. Es müssen durch die Risikospiele wesentlich mehr Polizeikräfte an den Wochenenden eingesetzt werden. Das Inneministerium rechnet mit Zusatzkosten im Millionenbereich. Die Landesregierung Thüringen hält aber wenig vom Vorschlag der Bremer die Fußballvereine zu einer Beteiligung der Einsatzkosten zu zwingen, da es vor allem den unterklassigen Sportvereinen nur schaden würde. Diese Kosten trägt also der Steuerzahler.

Mehr Sicherheit heißt mehr Polizei und mehr Kosten. Es ist schade, dass DFB, Politik und Polizei wieder zeigen, dass sie alle Fans und Vereine vorverurteilen–vor allem die im Osten. Statt den manchmal überforderten Vereinen zu helfen und Gewalt-Präventionen oder ähnliches zu unterstützen, stellt man sie sofort in die kriminelle Ecke. Die Meinung ist so negativ, dass immense Kosten und Anstrengungen in Kauf genommen werden und eine einzelne Einschätzung vor den Spielen oder eine Kommunikation mit Fans oder Fangruppen gar nicht mehr in Frage kommt. Diese Generalisierung wird die Vorfreude der spannenden 3. Liga–mit dem wohl weltweit höchsten Zuschauerschnitt–dämpfen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es durchaus zu Konflikten oder Ausschreitungen von Fans diverser Vereine der 3. Liga gekommen ist. Vor allem in Ostdeutschland haben manche Vereine Probleme mit Gewalttaten oder Krawalle ihrer Fans. Diese müssen jetzt beweisen, dass die willkürliche Stigmatisierung nicht gerechtfertigt ist.

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