Rio+20 war ein vorhersehbarer Flop

Bis 2012 hätte für die Geschichte mit der Erderwärmung eine Lösung gefunden werden sollen. Vor 20 Jahren haben die Führer der Welt das beim Erdgipfel 1992 versprochen. Damals wurde eine Strategie namens „Nachhaltige Entwicklung“ vorgestellt. Die freien Kräfte des Marktes sollten anhand dieses tollen Einfalls die Umwelt mit solch genialen Erfindungen wie dem Handel mit CO2-Zertifikaten retten. Um genau zu sein, hat dies für Kapitalisten erst die Möglichkeit geschaffen, mit Umweltschutz so richtig Geld zu machen. Trotz des anfänglichen Enthusiasmus wurde daraus nichts als ein riesiger Haufen Scheiße.

Letzte Woche kehrten die Führer der Welt wieder nach Rio de Janeiro zurück, um die letzten zwei Jahrzehnte ihres Versagens zu feiern. Den Gipfel nannten sie „Rio+20“. Gastgeber waren die Vereinten Nationen, die ein geringeres Budget als das NYPD haben. Da die UN also nicht über genügend Geld verfügte, um das Treffen selbst auszutragen, wurde es von Vale gesponsert (das ist die Bergbaugesellschaft, die für die Zerstörung Zehntausender Quadratkilometer des Amazonasregenwaldes verantwortlich war). Außerdem spendeten noch so illustre Unternehmen wie die Petrobras Petroleum Corporation oder Coca-Cola ein bisschen Geld. Man konnte sich also nicht allzu viel von diesem Gipfel erhoffen und wie The Guardian berichtete, unternahm die US-Regierung außerdem alles erdenklich Mögliche, um das Gipfelabkommen zu zerstören. Die Schlussvereinbarung von Freitag, die von 193 Führern der Welt unterzeichnet wurde, ist nichts weiter als die nichtige Übereinkunft, bis zum nächsten Treffen 2015 nichts zu unternehmen.

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Ich lebe in Rio und gestern früh wurde ich von Freunden aus der Hausbesetzerbewegung eingeladen, bei einem Straßenprotest in einem Slum mitzumachen, der für die Fußballweltmeisterschaft 2014 plattgemacht werden soll. Zufällig grenzt dieser Slum auch an das Gebiet, in dem Rio+20 stattfand. Nachdem ich die ganze Nacht bei einer durchgeknallten Party der brasilianischen Feministenbewegung im Hörsaal einer öffentlichen Schule, die von Oscar Niemeyer entworfen worden war, durchgesoffen hatte, zwang ich mich aus dem Bett und nahm den Bus zum Carnaval-Stadion, in dem Zehntausende Ureinwohner und Aktivisten der sozialen Bewegung auf Luftmatratzen in Schulräumen schliefen, die im Keller des Stadions eingerichtet worden waren. 24 Busse beförderten uns zum Protest. Der Transport war für die Zeit des People’s Summit kostenlos für alle verfügbar. Ich war überrascht, dass von Dutzenden Mitgliedern der Luftwaffe, die auf Harley Davidsons fuhren, eskortiert wurden.

Ich traf eine Gruppe von Freunden und wir bestiegen einen Bus voller Mitglieder des Central de Movimentos Populares, einer der größten der sozialen Bewegungen, die hauptsächlich aus Armen und Arbeitern besteht. Die Motorradpolizei sperrte für uns die Hauptstraße in Rios Innenstadt ab und wir wurden zur anderen Seite der Stadt eskortiert. Das dauerte etwa zwei Stunden. Was ursprünglich als Protest der nationalen Hausbesetzerbewegung gegen Zwangsräumungen geplant war, die für die Zeit vor der Weltmeisterschaft anberaumt sind, wurde durch die Synergie der vielen weiteren sozialen Protestbewegungen—angefangen bei einem kleinen Schwarzen Block bis hin zu einer riesigen Delegation der Bauernbewegung Via Campesina—zu etwas viel Größerem. Es überraschte mich, zwei Busse voll mit Xingu-Indianern in voller Kriegsbemalung und mit Speeren bewaffnet zu sehen. Ganz offensichtlich hatte sich jede Gruppe, die im Stadion verweilte, spontan am Abend zuvor dazu entschlossen, aus Solidarität Leute zu schicken.

Wir erreichten das Elendsviertel und schlossen uns einem Zug an, der mindestens einen halben Kilometer lang war. Hunderte Bewohner des Slums marschierten mit uns. Als wir das Viertel durchquert hatten, erreichten wir einen Abwasserkanal. Auf der anderen Seite des Kanals standen Pressefotografen, ein Sondereinsatzkommando des Militärs sowie Verkehrspolizisten, die Autos auf den Parkplatz von Rio+20 lotsten. Auf einem der Dächer in weiter Entfernung waren Scharfschützen stationiert, die uns mit Ferngläsern beobachteten. Dazu schwebten zwei Helikopter über der ganzen Szene.

Ich dachte, wir würden auf die Hauptstraße gehen, die zu der Tagung führte, aber die Anführer drehten um und marschierten wieder in Richtung des Slums. Dort hielten wir an und saßen etwa eine Stunde lang herum, weil wir auf weitere zehn Busse mit Aktivisten aus der Besetzerszene warteten. Mit dem nächsten Schwung an Protestlern kam auch ein Lautsprecherwagen. Ein Mann kletterte daran hoch, nahm ein Mikrofon in die Hand und begann, uns Instruktionen zu geben. Wir würden nicht auf die Hauptstraße gehen, sagte er, sondern noch einmal durch den Slum laufen und an einer Stelle halten, an der die internationale Presse Fotos von uns machen kann. „Das ist Schwachsinn“, rief eine der alten Frauen, die zur Bewegung der Leute mit niedrigem Einkommen gehörte. „Was bringt das hierherzukommen, wenn wir keinem Probleme bereiten?“
„Warum hat uns überhaupt eine Polizeieskorte hierher begleitet?“, stimmte ein anderer Mann ein.

Der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Wir liefen entlang eines Abwasserkanals, der uns von der Hauptstraße trennte. Allerlei Menschen auf der anderen Straßenseite fotografierten und filmten uns. Manche sahen wie Journalisten aus; andere wiederum wie Sicherheitsleute. Plötzlich schrie der Häuptling der Xingu und sein Stamm reihte sich hinter ihm auf. Sie marschierten über die Fußgängerbrücke zur Hauptstraße. Wir schickten uns an, ihrem Beispiel zu folgen, aber eine Frau von Via Campesina versperrte uns den Weg über die Brücke. „Alle von Via Campesina, dem MST und dem Central Movimentos Populares müssen auf dieser Seite der Brücke bleiben“, sagte sie. „Wir haben mit den Bewohnern vereinbart, keinen Ärger zu machen.“

Eine Gruppe von Bewohnern ignorierte sie aber und folgte den Xingu über die Brücke, und Tausende mehr taten das Gleiche. Fotografen stürmten aus allen Richtungen heran, als die Xingu auf eine Reihe bewaffneter Truppen mit Anti-Eskalationsequipment und einen mit Schallwaffen ausgestatteten Panzer zumarschierten. Sie brüllten die Polizei und die Reporter wegen des Wasserkraftprojekts Belo Monte an. Dieser Milliarden Dollar teure Damm wird einen Großteil ihres Reservats im Dschungel des Amazonas überfluten.

Es gab einigen Aufruhr und wir wussten nicht, ob die Gummigeschosse und das Tränengas bald auf uns zufliegen würden oder nicht. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff schickte den Chef des Präsidialamts, Gilberto Carvalho, um den Indianern ein minimal besseres Angebot zur Umsiedlung zu machen.

Niemand schien zufrieden. Kurzzeitig sah es so aus, als würden sie den Typen zusammenschlagen. Dann schien es, als würden die Fotografen eine Rangelei starten. Letztendlich kühlte die Situation ab und wir liefen zurück zu unserem Bus und fuhren durch die Stadt zu einem Ort, an dem ein viel größerer Straßenprotest gerade begann. Dieser kam zustande, weil etwa 1000 zivilgesellschaftliche Organisationen und Bewegungen der Rio+20-Schlussvereinbarung ihre Unterschrift entzogen hatten.

Solche Volksgipfel und ähnliche Foren existieren in Lateinamerika seit etwa einem Jahrzehnt. Statt nur Protestmärsche zu organisieren, werden dort klare Strategien entwickelt, um gegen Großkonzerne, Medien und Regierungen zu kämpfen, die unseren Planeten zerstören. Über die People’s Summits wird in westlichen Medien kaum berichtet. Wenn doch, dann werden sie meist als naive Idioten belächelt, die keine Ahnung haben, was sie wollen. Trotzdem wurden vier Weltsozialforum-Aktivisten in Südamerika zu Präsidenten gewählt. Und hoffentlich werden die keine beschissenen Verträge unterschreiben, die nur Zeit kaufen sollen.

Wenn ihr mehr über die Umweltkatastrophe am Amazonas erfahren wollt, dann schaut euch unsere Toxic-Folge über die Aktivisten Zé Cláudio Riberio und Maria do Espirit Santo an, die erschossen wurden, weil sie versuchten, ein paar Bäume zu retten.