Alle Fotos von Piotr Sokul
Ulrich Seidl ist geradlinig und schnörkellos, aber auch poetisch und tiefgründig—er lacht, weil das Leben manchmal lächerlich ist, schaut gerne solange hin, bis es wehtut und hat hinter seiner Fassade (strenger Blick, komplett in Schwarz) vor allem viel aufrichtiges Mitgefühl und echtes Interesse an den Menschen. Eigentlich ist er genau so, wie man sich Österreich auch insgesamt wünschen würde—und wie es durch seine Filme zumindest bis zu einem gewissen Grad sein kann. Seine Protagonisten sind nicht immer, was sie gerne wären, aber immer, wie sie wahrhaftig sind.
Videos by VICE
In seinem neuesten Film Im Keller beleuchtet Seidl die unterirdisch(st)en Freizeitparadiese Österreichs und zeigt uns die Menschen so, wie wir sie uns—wieder mal—nicht erwartet hätten: selbstbewusst, ohne verschwurbelte Minderwertigkeitskomplexe, sprach- oder stimmmächtig und stolz auf ihre Abgründe. Vor allem aber macht er den Keller nicht zum Zoo und lässt uns seine Charaktere nicht angaffen, ohne dass zurückgestarrt wird. So wie es aussieht, braucht Österreich wirklich den Aufklärer und Humanisten Seidl, um ein bisschen zu sich selbst zu finden.
Sein römisch-katholischer Leidensgenosse und Regiekollege John Waters—der im Jahr 2012 die beiden Filme Paradies: Liebe und Paradies: Glaube zum zweit- und drittbesten Film des Jahres kürte—sagte mal: „Fassbinder died, so God gave us Ulrich Seidl.“ Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass Ulrich Seidl das coolste Uni-Professoren-Büro der Welt hat und wie ein kleines Kind kichert, wenn man ihn auf die Marienstatue zwischen den Büchertürmen oder den roten Tod auf seinem Schreibtisch anspricht. Ich habe mit ihm 45 Minuten lang Espresso getrunken.
Hier der erste Teil des Interviews: