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Sex

Mann bringt Frau mit Gewalt dazu, Sex mit ihm zu haben – und wird freigesprochen

Ein 23-Jähriger aus Brandenburg klemmt den Kopf einer Frau zwischen die Metallstäbe seines Bettes und hat vier Stunden Sex mit ihr. Sie sagt Nein. Die Richterin sieht keine Vergewaltigung.

Foto: Alyssa L. Miller | Flickr | CC BY 2.0

In der Nacht auf den 18. August 2016 treffen sich ein 23-jähriger Mann und eine gleichaltrige Frau in einer Wohnung in Brandenburg an der Havel. Es ist 4 Uhr nachts, die Frau möchte von dem Mann Drogen kaufen. Die beiden treffen sich häufiger. Was in den folgenden vier Stunden passiert, ist für sie eine Vergewaltigung. Er spricht hingegen von wildem, einvernehmlichem Sex.

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Speed, Bier und "wilder Sex"?

Wie die Märkische Allgemeine Zeitung berichtet, schilderte der 23-Jährige vor zwei Wochen auf der Anklagebank des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel, dass er eine Woche vor der besagten Nacht von seiner Freundin verlassen worden sei. Als sich die beiden in jener Nacht treffen, trinken sie ein Bier und nehmen zusammen Speed. Der Mann sagt, sie seien sich dann näher gekommen und hätten einvernehmlich Sex gehabt. Die Frau habe früher schon Sex mit ihm haben wollen, nach der Trennung sei auch er dafür offen gewesen. Der Sex sei "ein bisschen auf hart gemacht", zitiert die MAZ den Angeklagten. Nach dem ersten Mal hätten sie noch ein paar Stunden versucht, erneut Sex zu haben, aber wegen der Drogen habe es nicht mehr geklappt. Die Verabschiedung um 8 Uhr morgens sei freundlich gewesen.

Die Frau beschreibt die Sommernacht anders. Nachdem die beiden Speed genommen hätten, soll der Drogendealer Sex gewollt haben. Sie habe das abgelehnt, weil er nicht ihr Typ sei, wie sie laut MAZ vor Gericht aussagte. Daraufhin zerrte er sie aufs Bett, zog sie aus und klemmte ihren Kopf zwischen zwei der Metallstäbe am Kopfende seines Bettes. Die 23-Jährige sagt, sie habe ihn angeschrien, er solle aufhören, sich gewehrt und den Mann am Rücken gekratzt. Doch irgendwann habe sie aufgegeben und "es über sich ergehen" lassen, wie die MAZ zitiert.



Der Mann sei in den vier Stunden mehrere Male in sie eingedrungen und habe erst aufgehört, als er einen Anruf bekam und plötzlich gehen musste. Dann konnte sie endlich gehen. Der Partner der 23-Jährigen schilderte dem Gericht laut MAZ, wie sie zu ihm an den Arbeitsplatz gekommen sei – heulend, vor Schmerzen gekrümmt laufend – und ihm von der Vergewaltigung erzählt habe. Daraufhin zeigte sie den Dealer wegen Vergewaltigung an.

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Freispruch vor Gericht, trotz "Nein heißt Nein"

Das Gericht sprach den Mann vergangene Woche frei. "Ich glaube Frau G. jedes Wort", sagte die Richterin laut MAZ, nachdem sie den Freispruch verkündet hatte. Die sexuellen Handlungen seien nicht im Sinne des Opfers gewesen und der Angeklagte habe sie sich mit Gewalt genommen. Doch der 23-Jährige habe wahrscheinlich nicht gewusst, was er seiner Bekannten antat, so die Urteilsbegründung.

Laut der Pressesprecherin des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel war für das Urteil vor allem ausschlaggebend, dass das Opfer selbst aussagte, dass der Täter das Geschehen als einvernehmlich wahrgenommen haben könnte. "Somit konnte man nicht ausschließen, dass es sich um einen Irrtum gehandelt hat", so die Pressesprecherin gegenüber VICE. Für die Richterin und die Staatsanwaltschaft war kein Vergewaltigungsvorsatz nachweisbar.

Nur etwa acht Prozent aller Vergewaltigungen in Deutschland führen zu einer Verurteilung. Im Juli 2016 beschloss der Bundestag einstimmig eine Änderung des Sexualstrafrechts. "Nein heißt Nein" bedeutet seitdem, dass sich nicht nur derjenige strafbar macht, der Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Es reicht aus, wenn sich der Täter über den "erkennbaren Willen" des Opfers hinwegsetzt. Warum wurde der Angeklagte trotzdem nicht verurteilt? Die Pressesprecherin erklärt gegenüber VICE: "Die Geschädigte hat leider nicht deutlich genug Nein gesagt." Das habe sie selbst so geäußert. Man müsse auch berücksichtigen, dass Drogen konsumiert wurden – und die anfängliche Ablehnung des Opfers vielleicht doch umschlug und das Geschehen vom Angeklagten dann irrtümlich als einvernehmlicher Sex wahrgenommen wurde.

"Schwerer Schlag" für die Geschädigte

Der Angeklagte sagte in seinem Schlusswort, er würde niemanden vergewaltigen, weil er doch selbst eine Mutter und eine Schwester habe. Bei ihm wurden bei der Beweisaufnahme Kratzspuren am Rücken festgestellt. Das erklärte er laut MAZ damit, dass Frauen oft loskratzen würden bei wildem Sex. Bei der Geschädigten wurden Blutergüsse an den Innenseiten der Oberschenkel und an der Schulter dokumentiert.

Die Staatsanwaltschaft, die den Freispruch beantragte, räumte laut MAZ ein, dass das Urteil für die Geschädigte ein "schwerer Schlag" sein müsse. Doch eine Verurteilung sei ohne erkennbaren Vorsatz nicht möglich.

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