Sex

So kommst auch du zum Prostata-Orgasmus

Zusammen mit Sexualpädagoginnen und Sexualtherapeuten erklären wir dir, wie du deine Prostata wortwörtlich in die eigenen Hände nimmst.
Eine Illustration zeigt eine Hand in einem Latexhandschuh, ein Finger ist ausgestreckt und mit Gleitgel eingecremt; in einem Guide erklären Sexualexpertinnen und Sexualexperten, wie man einen Prostata-Orgasmus bekommt
Illustration: Cathryn Virginia

Für die meisten Männer ist ihr Geschlechtsteil beim Sex der unumstrittene Star der Show. Oft übersehen wird dabei ein kleiner, versteckter Teil des Körpers, der durch den Anus zugänglich ist und unglaublich intensive Ganzkörperorgasmen auslösen kann: die Prostata.

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Zum Lustpotenzial der Prostata wurde noch nicht viel geforscht. Auch findet man nur wenige Infos darüber, wie man zum Prostata-Orgasmus kommt, wenn man komplett neu auf dem Gebiet ist. Aber kein Problem: Zusammen mit Sexualpädagoginnen und Sexualtherapeuten erklären wir dir, wie du deine Prostata wortwörtlich in die eigenen Hände nimmst.


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Was genau ist die Prostata überhaupt?

Die Prostata ist eine kastaniengroße Drüse, die sich unterhalb der Harnblase nah am Harnröhrenschwellkörper befindet. Zu ihren Aufgaben gehört es, einen Teil der Spermaflüssigkeit zu produzieren, die Erektion aufrechtzuerhalten und bei der Ejakulation das Sperma zu transportieren. 

"Während man in der Wissenschaft schnell in Diskussionen über Drüsenarten und so weiter verfällt, würde ich die Prostata einfach mit dem G-Punkt vergleichen – die beiden liegen ja auch ähnlich", sagt Rain DeGrey, Sexualpädagogin und Fetischmodel, die schon seit 13 Jahren Kurse zum Prostata-Orgasmus gibt.

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Wie in den Genitalien und im Perineum – auch bekannt als Damm, also dem Bereich zwischen Hodensack und Arschloch – befinden sich auch in der Prostata Tausende Nervenenden, die bei Stimulation ein sehr angenehmes Gefühl auslösen können. Das ist aber nicht bei allen der Fall: Wie bei jeder sexuellen Handlung kommt es auch hier auf das persönliche Empfinden an. "Es ist wichtig zu sagen, dass nicht jeder auf Prostatamassagen steht", sagt der Sexualpädagoge Reid Mihalko. Dennoch findet er es nie verkehrt, wenn man die eigene Prostata erforscht, denn: "Herauszufinden, was man nicht mag, ist ebenfalls wichtig."

Ist Prostatastimulation eigentlich nur Analsex?

Obwohl es sowohl bei der Prostatastimulation als auch beim Analsex zu analer Penetration kommt, handelt es sich um zwei komplett verschiedene Dinge. Bei der Prostatastimulation braucht es sanftere Berührungen, präzisere Bewegungen und kleinere "Werkzeuge": etwa Finger oder kleines Sexspielzeug – statt Dildo oder Penis. 

Was jedoch gleich sein kann, ist das Stigma, das manche Männer verspüren, wenn es um sexuelle Handlungen mit ihrem Hinterteil geht. "Viele fühlen sich unsicher oder schämen sich, wenn es darum geht, ihre Prostata mit ins Spiel zu bringen", sagt der Sexualtherapeut Todd Baratz. "Viele Männer haben die Vorstellung verinnerlicht, dass es feminin und deswegen etwas Negatives sei, beim Sex penetriert zu werden. Ihnen wurde ja immer gesagt, dass es die Frau ist, die penetriert wird." Diese hinderlichen Vorstellungen zu überwinden, ist für Prostataneulinge nicht einfach. Hier hat Baratz einen Tipp: "Man darf nie vergessen, dass solche sexuellen, genderbezogenen Ansichten überhaupt nicht mehr zeitgemäß sind und dem eigenen sexuellen Vergnügen nur im Weg stehen."

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Wie unterscheidet sich ein Prostata-Orgasmus von einem über den Penis ausgelösten Höhepunkt?

Beim Prostata-Orgasmus wird die Prostata durch die Darmwand mit den Fingern oder einem Sexspielzeug massiert. Das Ganze wird manchmal auch als "Melken" bezeichnet, weil die Prostata bei Stimulation eine dünne, weißliche Flüssigkeit absondert.

Für Anfänger ist der Zugang zur Prostata am einfachsten mit einem mit Gleitgel überzogenen Finger oder Sexspielzeug im Anus. In seltenen Fällen funktioniert die Stimulation aber auch extern durch eine Massage des Damms.

Wie fühlt sich ein Prostata-Orgasmus an?

"Auf einer Skala von 1 bis 100, würde ich einem über den Penis ausgelösten Orgasmus eine 10 geben, einem Prostata-Orgasmus hingegen 100", sagt Sexualpädagoge und Beziehungsexperte Dainis Graveris. "Penile Orgasmen haben ihren Ursprung in den Genitalien. Prostata-Orgasmen fühlen sich hingegen an, als kämen sie ganz tief aus dem Körper. Man ist total überwältigt von der fast schon unbeschreiblichen Erfahrung", sagt er.

Prostata-Orgasmen können zudem länger andauern, intensiver sein, im ganzen Körper gespürt werden und innerhalb kurzer Zeit zu noch mehr Orgasmen führen. Graveris und andere Prostata-Enthusiasten nennen das Ganze deswegen auch "Super-Orgasmus". "Das Gefühl ist intensiv, herrlich, nicht von dieser Welt. Außerdem ist keine Erholungsphase nötig. Das heißt, es sind mehrere Orgasmen direkt hintereinander möglich", sagt Graveris.

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"Wenn mir die Prostata massiert wird, ejakuliere ich schnell", sagt Sexualpädagoge Mihalko. "Es gibt keinen großen Spannungsaufbau. Normalerweise habe ich auch keine Erektion, weshalb sich das Ganze auch antiklimatisch anfühlen kann. Was aber wunderschön ist: Ich weiß, dass ich so auch noch mit 90 Sex haben kann. Selbst wenn ich dann keinen mehr hochkriege, sind durch die Prostata noch Orgasmen möglich."

Warum sind Prostata-Orgasmen intensiver als die über den Penis ausgelösten?

Das lässt sich nur schwer sagen, weil es bisher noch keine validierten Studien zu diesem Thema gibt. 2017 schrieb der Forscher R.J. Levin in einer Arbeit, dass die meisten Informationen über die angenehme Funktion der Prostata vor allem aus Erzählungen stammten. Von diesen Erzählungen gibt es aber eine Menge – in Form von Websites, Blogs und Online-Foren zu Prostata-Orgasmen. Das entsprechende Reddit-Unterforum zählt zum Beispiel rund 49.000 Mitglieder. Dazu unterhält der Sexspielzeughersteller Aneros, das auch Spielzeug zur Prostatastimulation im Angebot hat, einen Chat, ein Lexikon, einen Blog und ein Forum, in dem sich 50.000 Mitglieder über Erfahrungen und Tipps zu Prostata-Orgasmen austauschen.

Nicht nur die Prostata selbst, sondern auch das Perineum und der Anus sind voller Nervenenden. Das ist wahrscheinlich einer der Hauptgründe, warum sich eine Prostatamassage so gut anfühlt. Eine weitere Rolle spielt die Lage der Prostata in der Nähe der Peniswurzel, die genauso empfindlich ist und im Vergleich zum Penisschaft bei der Stimulation oft vernachlässigt wird. Levin kam zu dem Schluss, dass die "gesteigerte Körperwahrnehmung" bei der Prostatastimulation auch die Genitalwahrnehmung erhöhe und zu mehr sexuellem Vergnügen führe. In anderen Worten: Je mehr du eins mit deinem Körper bist und jede Empfindung bewusst wahrnimmst, desto intensiver sind diese Empfindungen im ganzen Körper. Für diese gesteigerte Wahrnehmung müsse man das Gehirn neu trainieren, um neue Wege zur Lust zu eröffnen. Sexualpädagoge Graveris denkt da ähnlich: "Es braucht Zeit, um das Gehirn neu zu schalten", sagt er. "Zuerst kommt man sich vielleicht unsicher vor. Penetriert zu werden, ist ein komplett anderes Gefühl."

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Wie bereitest du dich am besten auf eine Prostatamassage vor?

Die Zauberwörter heißen Entspannung, Zeit und Übung. "Es ist wichtig, dass man entspannt ist", sagt Sexualpädagogin DeGrey. "Wenn man sich nicht entspannen kann, wird man das Ganze nicht genießen können. Etwas in sich eindringen zu lassen – selbst wenn es sich um den eigenen Finger handelt –, ist etwas sehr Intimes."

Wie bei jeder Art von Sex hilft es auch bei Prostatamassagen, den Fokus erstmal auf das allgemeine Vergnügen und nicht auf den Orgasmus zu legen. Das kann bedeuten, die Prostata bei Sachen, die du sowieso schon magst, vorsichtig mit einzubeziehen. So lernst du neue Gefühle, neue Bewegungen und neues Spielzeug kennen. Das Ziel ist dabei, herauszufinden, wie sehr dir das Ganze überhaupt gefällt – und nicht, auf Biegen und Brechen zum Orgasmus zu kommen.

Sexualtherapeut Baratz hat eine wichtige Anmerkung: "Ja, man muss auf Kacke vorbereitet sein." Wenn dir Hygiene also wichtig ist, solltest du dich vorher gut sauber machen – etwa mit Einläufen, Analduschen oder einem Klogang.

Ebenfalls wichtig ist es, dass du in der richtigen Stimmung bist, wenn du dich auf die Suche nach der Prostata machst. Bei Erregung ist der gesamte Genitalbereich sowohl innen als auch außen viel empfindlicher. Dann sind neue Empfindungen auch eher angenehm und es fühlt sich nicht so an, als würdest du einfach etwas in den Hintern geschoben bekommen. Wenn du nie wirklich auf die Signale deines Körpers geachtet hast, braucht es vielleicht etwas Übung. Aber bald erkennst du schnell die Zeichen der Erregung und kannst loslegen.

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Wie findest du die Prostata?

Wenn du bereit für die Penetration bist, solltest du dich entweder auf den Rücken legen und dir ein Kissen unter die Hüfte schieben. Oder du gehst auf alle Viere, wenn der Finger oder das Sexspielzeug von hinten kommen soll. In jedem Fall rät DeGrey dazu, sanft und langsam anzufangen – mit einem einzigen Finger, der ordentlich mit Gleitgel eingeschmiert wurde. Spitze Fingernägel sind tabu, zudem bietet es sich an, zur Sicherheit einen Einmalhandschuh überzuziehen.

Aber wie weißt du, dass du auf die Prostata gestoßen bist? Laut DeGrey müsse man nach einem "rundlichen Knoten" tasten, der je nach Körper und Erregungsgrad mal mehr, mal weniger offensichtlich ist. "Der eindeutigste Hinweis ist aber das sexuelle Vergnügen. Wenn es sich gut anfühlt, hat man die Prostata gefunden", sagt sie.

Wenn dein eingecremter Finger erstmal drin ist, empfiehlt es sich, ihn mit einer "Komm her"-Bewegung in Richtung Bauchnabel zu drücken. Ebenfalls geeignet sei eine kreisförmige Bewegung mit sanftem Druck des Fingerballens, so DeGrey. In jedem Fall solle man erstmal langsam anfangen und den Druck je nach Bedarf erhöhen. "Wenn man die Prostata zu stark massiert, kann man dabei die Nerven beschädigen", sagt DeGrey. "Die Folge sind Schmerzen oder gar Erektionsprobleme." 

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Manche Menschen kommen allein durch die Stimulation der Prostata zum Höhepunkt, während andere es bevorzugen, wenn man sie gleichzeitig noch am Penis stimuliert. Dafür massiert man mit der einen Hand die Prostata mit angenehmen Druck und Rhythmus, während die andere sich mit den Genitalien, den Nippeln oder anderen erogenen Zonen beschäftigt. Wenn du dann kurz vorm Orgasmus stehst, fokussierst du dich nur noch auf die Prostata, bis du wirklich kommst.

Wie beziehe ich meine Partnerin oder meinen Partner mit ein?

Prostatamassagen mit der Partnerin oder dem Partner sind eine unglaublich intime Erfahrung, für die es viel Vertrauen braucht. Das Ganze ist aber auch total heiß. Durch die andere Person sind nämlich neue Winkel und Stellungen möglich, die alleine nicht drin sind. 

Für den Anfang ist es am besten, es nicht zu kompliziert zu machen. "Für mich persönlich ist es am besten und effektivsten, wenn mein Partner einfach auf dem Rücken liegt und ich mit einem Finger in ihn eindringe und nach oben in Richtung Peniswurzel drücke", sagt DeGrey. "Für das erste Mal mit einer Partnerin oder einem Partner empfehle ich, auf Sexspielzeug zu verzichten und nur die Finger zu nehmen. Die sind günstiger und man hat schon zehn davon."

Egal ob du die Massage durchführst oder bekommst: Es ist wichtig, immer auf Körpersignale zu achten. Am offensichtlichsten sind natürlich Worte und enthusiastische Laute, aber wenn jemand weniger lautstark ist, sind nonverbale Zeichen entscheidend. "Sind die Augen offen oder geschlossen? Atmet die Person schnell oder langsam? Sind die Muskeln angespannt oder locker? Bewegt sich die Person von einem weg? All das ist nonverbale Kommunikation und entscheidendes Feedback", sagt DeGrey.

Wenn du das Thema Prostata-Orgasmus zum ersten Mal angehst, braucht es viel Übung, Neugier und Offenheit. Am Anfang ist vor allem der Weg das Ziel, jede neue Empfindung und Erfahrung ist ein toller Fortschritt. Du lernst deinen Körper, deine Vorlieben und Reaktionen besser kennen. Und du kennst nun eine neue Möglichkeit, dir selbst oder einer anderen Person eine richtig gute Zeit zu bescheren.

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