Der Basler Morgestraich ist ein Paradies

Die Basler Fasnacht ist weltweit einzigartig. Sie ist die einzige protestantische Fasnacht, also (ähnlich wie auch die Luzerner Fasnacht) kein Überbleibsel einer katholischen Promo-Aktion aus der Zeit der Gegenreformation. Die historischen Ursprünge konnte aber selbst in dieser fasnachtsbesessenen Stadt niemand aufarbeiten. Hier ein paar wichtige Eckpfeiler: „Schnitzelbängg” (Bänkelsang) und „Larven” (Masken), Piccolo-Flöten und Trommeln, Bier, Wein und der „Morgestraich”. Die Basler Fasnacht beginnt Montag, pünktlich um 4 Uhr 00, mit dem „Morgestraich”. Die ersten Sondertrams fahren schon um 1 Uhr 30. Die breite Freienstrasse ist spätestens ab 3 Uhr 30 ein dickflüssiger Menschenstrom. Es ist vielmehr ein Menschenzoo. Menschen am Strassenrand, die jeden freundlich zurechtweisen, der sich vor sie stellt. Besucher kommen aus der ganzen Schweiz, dem Elsass und der Restwelt. Denn einmal im Jahr ist Basel, die Stadt ohne Alpenpanorama, Postkartenschweiz.

Wer direkt von einer Vorfasnachtsparty kommt, pausiert mit Alkohol. Wer sich aus dem Bett gekämpft hat, giert nach Kaffee. Vor der Starbucksfiliale bildet sich eine lange Schlange. Das Schaufenster wird abgedeckt, denn jedes Geschäft in der Innenstadt muss büssen, wenn nach 4 Uhr 00 noch Licht nach aussen dringt. Die Basler Verkehrsbetriebe haben die Unterstände der Tramunterstände mit Stacheldraht eingefasst, damit sich niemand draufsetzt. Von den Balkons am Basler Marktplatz blitzen die Kameras.

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Um 4 Uhr 00 gehen alle Lichter aus. Wer Frontsau ist, muss am Boden dabei sein: Die Trommeln trommeln. Die Piccolos flöten. Die Laternen setzen sich in Bewegung–in Basel ist das Laternenziehen übrigens Brauchtum und Studentenjob in einem. Fasnachts-Cliquen bestehen aus 1-50 Flötisten und Trommlern. Ein Umzug, der kein Umzug ist, sondern bloss Route. Auch die Besucher sind eine treibende, torkelnde Masse. Kondensiertes Chaos. Als würde die Stadt in den Tripmodus wechseln – psychedelische Drogen braucht hier niemand!

Zirka ab Montag, 5 Uhr 00, wird wieder richtig getrunken. Dann dauert die Basler Fasnacht noch schlappe 71 Stunden. Aktive Fasnächtler marschieren, trinken, spielen und marschieren ohne Unterbruch. Nur die ausgeschütteten Endorphine unterscheiden ihre Erschöpfung von jener des Bar- und Servicepersonals. Die Fasnächtler vorausgaben sich so, dass sie nach dem Endstreich einfach in eine Jahreszeitendepression fallen müssen.

Alle Fotos von Diana Pfammatter