Am Donnerstagmorgen wurde auf der Facebook-Page von Alexander Van der Bellen ein Video veröffentlicht, in dem Michael aus Niederösterreich erklärt, dass er in den ersten beiden Wahlgängen Norbert Hofer gewählt habe, sich am kommenden Sonntag jedoch für Van der Bellen entscheiden wird.
Er erzählt im Video, dass vor allem Hofers umstrittener Slogan “So wahr mir Gott helfe” und der Nationalismus der FPÖ den Ausschlag für seine Umentscheidung gegeben haben. Außerdem sei ihm wichtig, dass Europa mehr zusammenrückt. Unter dem Video schreiben zahlreiche User, dass Michael mutig und sein Statement super sei und manche Kommentatoren bewundern ihn für seine Umentscheidung und schreiben, dass es ihnen ähnlich ergangen sei.
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Es erfordert mit Sicherheit ziemlich viel Mut, ein Video von sich und dieser Botschaft auf die Facebook-Seite eines Bundespräsidentschaftskandidaten stellen zu lassen. Und um herauszufinden, wer Michael eigentlich ist und was genau ihn dazu bewogen hat, die Seite zu wechseln, haben wir ihn angerufen.
VICE: Im Video sagst du, du hast bei den ersten zwei Durchgängen Hofer gewählt. Warum dachtest du, er sei der richtige Kandidat?
Michael: Für mich waren damals einfach ganz einfache Argumente der Ausschlag. Man hat im Wahlkampf ja immer wieder gehört, dass Van der Bellen einfach nicht die notwendige Haltung hat, schon älter ist—und dann gab es da auch noch diese Krebs-Gerüchte. Der Hofer ist rhetorisch einfach extrem stark und das ist einer der größten Nachteile vom Van der Bellen. Mittlerweile glaube ich aber, dass es wichtiger ist, eine Person zum Präsidenten zu wählen, die vielleicht ein bisschen länger nachdenkt oder ein bisschen langsamer spricht, dafür aber bessere Inhalte ausspricht.
Warum hast du ausgerechnet nach “So wahr mir Gott helfe” damit begonnen umzudenken? Was hat sich an diesem Slogan so gestört?
Ich hab vor einem Jahr ein Management-Programm bei McDonald’s gemacht. Da kommen im Unternehmen so viele Kulturen und verschiedenste Menschen zusammen, da fängt man einfach an, umzudenken. Wenn dann so ein Slogan kommt und Strache auch noch sagt, das soll die katholischen Wähler und die katholischen Werte ansprechen, dann kann ich das einfach nicht mit mir vereinbaren. Ich finde, Religion und Staat müssen streng getrennt sein und als Bundespräsident muss man für jeden Menschen da sein, nicht nur für eine Gruppe.
Du sagst, dich stört das Nationalistische an der FPÖ. War es dir früher egal oder denkst du, das hat sich erst in letzter Zeit besonders herauskristallisiert?
Jetzt weiß ich, das war schon immer so. Früher hab ich mich mit dem Ganzen nicht wirklich auseinandergesetzt. Ich muss dazu sagen: Ich bin konservativ erzogen worden, bei uns war zum Beispiel Tracht normal, wie feiern den Nikolaus und den Osterhasen. Aber eben auch nicht auf extreme Art und Weise, denn alles, was extrem ist, finde ich schlecht—egal, ob Politik, Religion oder Wirtschaft. Bei uns in der Familie hatte das jedenfalls mehr mit Tradition als mit Nation zu tun. Ich glaube, wenn man das Nationalistische weiterträgt, wird das die EU auseinander reißen, denen geht es nämlich nicht um Zusammenarbeit.
Ich finde mittlerweile, dass man sich nicht unbedingt als Österreicher sehen sollte, sondern mehr als Europäer. Die ganzen Phrasen wie “Österreicher zuerst” hören sich ja nicht schlecht an, sind letzten Endes aber nicht umsetzbar. Gemeinsam ist man einfach immer stärker und ich hoffe, die nächsten Generationen verinnerlichen den Nationalstolz nicht so sehr wie wir und die Generationen vor uns, sondern sehen sich mehr als Europäer. Und was ich an der ganzen Sache am wenigsten verstehe: Herr Hofer, Herr Strache und Herr Kickl sind ja nicht dumm. Und ich verstehe nicht, wie man als Politiker, der sich mit der Materie auskennt, eine Anti-EU-Position vertreten kann.
Wählst du Van der Bellen nur, um Hofer zu verhindern oder auch aus Überzeugung?
Ich würde sagen, das verhält sich 50:50. Ich will natürlich Hofer verhindern, finde aber auch gewisse Positionen von Van der Bellen gut. Er würde zum Beispiel nie sagen, dass er aus der EU austreten will.
Wie reagiert eigentlich dein Umfeld auf dein Statement?
Wie schon gesagt, ich bin zwar konservativ erzogen worden, aber bei uns hat trotzdem jeder seine eigene Meinung. Ein paar Reaktionen habe ich schon bekommen, aber die waren eher freundschaftlich. Und echte Freunde werden meine Meinung akzeptieren. Dass zum Beispiel auf der Heute-Seite der eine oder andere schlechte Kommentar steht, ist mir egal. Es soll jeder wissen, was ich denk und was mir wichtig ist.
Wirst du bei der Nationalratswahl die FPÖ wählen?
Nein, werde ich nicht.
Verena auf Twitter: @verenabgnr