“Wir sind wirklich nicht auf Drogen”—Klaus Johann Grobe im Interview


Klaus Johann Grobe—was für ein Name! Nach deutschem Dichterfürst klingt das, nach Weisheit humboldt’scher Prägung, nach Erhabenheit. Oder nach einem avantgardistischen Klangtüftler der 70er-Jahre, nach einem Kollegen von Elektronik-Pionier Karlheinz Stockhausen oder sonst einem weltvergessenen Krautrock-Kauz mit zweitem Vornamen.

Nun, Klaus Johann Grobe ist niemand, sondern sind mehrere, genauer zwei—zwei Schweizer. Und zwar zwei kongeniale Schweizer, um genau zu sein, denn mit ihrem zweiten Album Spagat der Liebe haben Daniel Bachmann und Sevi Landolt vor ein paar Wochen eines der packendsten, schillerndsten schlicht erhabendsten (passend also zum Bandnamen) Alben der jüngeren Schweizer Musikgeschichte geschenkt. Und dabei bewiesen, dass sie zum mitunter zum Überzeugendsten gehören, was die hiesige Szene derzeit zu bieten hat.

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Warum die beiden Herren sich Klaus Johann Grobe nennen, warum die Krautrock-Vermutung weiter oben doch nicht so verkehrt ist und warum das Duo in den USA mittlerweile berühmter ist als hier, das haben wir sie an ihrem idyllischen Lieblingsort in Zürich, in der Gartenbeiz “Zum Gaul” am Fusse der Hardbrücke, über Burger, Bier und Zigaretten gefragt.

Noisey: Wer ist Klaus Johann Grobe?
Daniel Bachmann: Das sind wir zwei, Sevi und ich. Wir begannen gemeinsam Musik zu machen und wollten das dann verbreiten. Dafür brauchst du einen Namen.
Sevi Landolt: Mittlerweile steht Klaus Johann Grobe für das Unausgesprochene, dieses Etwas, was uns beide musikalisch verbindet. Bis jetzt war uns irgendwie immer klar: Das ist Klaus Johann Grobe und das nicht.

Und wie klingt Klaus Johann Grobe in euren eigenen Worten?
Sevi: Ganz runtergebrochen bezeichnen wir es als Popmusik, vor allem jetzt mit Spagat der Liebe, auf dem wir uns ja grundsätzlich an klassische Songstrukturen halten.

Trotzdem ist es vor allem die Psychedelic-Szene, in der ihr zuerst Erfolge feiern konntetauch und vor allem im Ausland.
Sevi: Ich glaube, daran ist vor allem “Koordinaten” schuld, der erste Song unserer ersten EP von 2011. Der ist eigentlich sehr psychedelisch und krautig, was wir anfangs gar nicht gecheckt hatten. Der wurde dann zu so einem Mini-Mini-Hit in der Szene und bald darauf bekamen wir eine Anfrage vom Liverpool Psych Fest …
Dani: Wir haben in einer Szene gestartet, in der wir uns eigentlich gar nicht zu Hause fühlten. Natürlich war das positiv für uns, weil dieses Genre momentan wieder sehr beliebt ist und die Szene wächst. Für uns war es aber sehr überraschend.
Sevi: Wir waren ehrlich gesagt auch immer etwas nervös vor diesen Shows. Da spielen zuerst sechs Drone-Bands mit schweren Gitarren und dann kommen wir, komplett ohne Gitarren, damals noch zu zweit, und singen Sachen wie: “Aber du, du sagst mir jetzt oder nie.“
Dani: Ich glaube, dass wir auch etwas erfrischend wirkten. Dort hast du ja immer die volle Dröhnung und wenn dann plötzlich eine Band mit richtigen Songstrukturen kommt und nicht nur Zehn-Minuten-Jams spielt.

Ihr seid also nicht die grossen Kraftwerk- und NEU!-Hörer?
Sevi: Wir haben Kraftwerk und NEU! schon auch gehört, aber eben nicht mehr als anderes auch. Das hat schon auch von Anfang an dazugehört, aber gar nicht so bewusst.

Auf eurer Facebook-Seite hab ich folgende Zeilen gelesen: “Alles ist Duo. Alles ist modern. Alles ist heute.” Den Sound der 70er könnt ihr doch aber nicht verneinen. Man könnte euch gut auch als Retro-Band bezeichnen.
Sevi: Die Frage kommt natürlich immer wieder und Dani hat da mittlerweile eine gute Antwort drauf: Wir leben im Jetzt und Hier und wir machen, was jetzt, im Moment für uns stimmt. Natürlich sind wir dabei eher von alter Musik inspiriert als von neuer, imitieren dabei ja aber nicht die Beatles oder irgendein bestimmtes Genre. Wir nehmen den ganzen Topf und machen daraus unser Ding.
Dani: Es geht um Sound-Ästhetik. Klar haben wir viel Hall im Sound, alte Instrumente, Gerätschaften, die nach einer Weile heiss werden, nehmen so viel wie möglich analog auf. Dem kann man schon retro sagen—für mich ist es einfach eine Weise, wie man Dinge aufnehmen kann.
Sevi: “Modern” ist für mich eine gewisse Freiheit und Leichtigkeit im Umgang mit der Musik. Dass man nicht zu engstirnig ist und keine Angst hat vor dem Mischen von Genres. Für mich entscheidend ist mehr, ob was interessant ist oder nicht. Viele Bands, die heute als “modern” gelten, die mit Samples arbeiten und übereinandergestapelten Synthies—das find ich auf der musikalischen Seite oftmals viel eintöniger.

Was für Platten habt ihr euch in letzter Zeit gekauft?
Dani: Zu viele, um sie jetzt alle aufzuzählen …
Sevi: Ich war letztens in London und in einem Plattenladen lief gerade Fairport Convention. Ich hab die Platte zuhause, hatte sie aber schon ewig nicht mehr gehört. Seither läuft sie bei mir regelmässig. Oder auf was wir beide jetzt gerade ziemlich abfahren ist eine italienische Band, die aber schon lange in San Francisco lebt: Dumbo Gets Mad. Die haben letzten Dezember ein neues Album rausgebracht—verdammt geil!
Dani: Wir haben sie in den USA entdeckt. Irgendwann auf Tour haben wir bei jemandem privat übernachtet und als wir am Morgen aufstanden gab es Donuts zum Frühstück und dazu lief Dumbo Gets Mad.
Sevi: Die könnte man übrigens auch wieder als Retro-Band bezeichnen. Man hat aber gleichezitig das Gefühl: Die kümmert nichts! Die machen einfach, was sie wollen.

Seid ihr eine Schweizer Band? Gibt es etwas Schweizerisches in eurem Sound?
Sevi: Oftmals wird uns gesagt, wir spielten mit Schweizer Präzision, was natürlich ein Klischee ist, aber auch mit unserem monotonen, repetitiven Sound zu tun hat und dass Dani ein unglaublich tighter Drummer ist.
Dani: Die Musik, die wir machen, kommt stark aus dem Bauch heraus und da spielt halt auch das Umfeld eine grosse Rolle. Ob das schweizerisch ist? Ich fühle mich eher europäisch.

Sevi: Von der Haltung her aber. Dass wir nirgends anecken wollen zum Beispiel oder versuchen, uns in gewissen Situationen korrekt zu verhalten und so Zeug. Wir sind ein wenig “chnuustig” und nicht so die R’n’R-Typen, die sich nach jeder Show die Kante geben und mit allen Menschen beste Freunde sind. Wir nehmen es zwar mit Humor und locker, aber trotzdem ernst. Wir denken halt: Hey, da sind Leute, die wollen das hören, die haben einen Anspruch drauf und das müssen wir liefern.
Dani: Eine gut protestantische, Zürcher Erziehung halt…

Fühlt ihr euch in irgendeiner Szene verankert?
Dani: Das ist das erste Mal, dass uns diese Frage in der Schweiz gestellt wird. Im Ausland kommt die immer.

Weil die Journalisten hoffen, dass ihr ihnen noch weitere tolle Bands verraten könnt …
Dani: Ja, genau. Sie fragen immer: Wie schaut die Szene in der Schweiz aus? Wir müssen dann antworten: Wir gehören zu keiner Szene.
Sevi: Wir vermeiden halt Umgang, der in Verpflichtungen und so mündet. Alles, was einen irgendwie festnagelt, haben wir nicht so gern. Wir schauen schon, was sonst noch so läuft, aber wir sind schon eher, also nicht eher, wir sind eigentlich Einzelgänger.

A propos Zitate und so: Ich hab ein paar Freunden von mir eure neue Platte vorgespielt und dabei Quotes gesammelt, mit denen ich euch gerne kontrontieren würde. Zitat Nummer 1: “Das klingt wie träumen.”
Dani: Ich war schon in der Schule ein Träumer und bin es wohl heute noch.
Sevi: Dem kann man schon zustimmen. Man muss es nicht so hören, aber man kann.

Zitat Nummer 2: “Die haben auf der Bühne bestimmt bunte Hemden an!”
Sevi: Der Dani wird wirklich immer exzentrischer. Der hat jetzt solche Hemden entdeckt und trägt die auch immer auf der Bühne und fährt dafür auch immer Komplimente ein, vor allem in New York. Ich trage auch Hemden, aber keine bunten. Hippies sind wir also nicht, falls das damit gemeint war.

Zitat Nummer 3: “Das ist der knackigste Bass Sound, den ich seit langem auf einer Scheibe gehört habe.”
Dani: Für uns war und ist der Bass-Sound halt wichtig, auch bei der Musik, die wir selber hören. Was gibt es geilers als einen richtig knackigen Bass-Sound?
Sevi: Ja und was gibt es schlimmeres als an einem Festival zu sein und jeder Techniker hat das Gefühl, der Bass müsse einfach untendurch dröhnen, nur damit die Leute was spüren. Unser Herz schlägt für die knackigen Bässe.

Letztes Zitat: “Die sind bestimmt auf Drogen.”
Sevi: Das hören wir viel. Uns werden auch immer Drogen angeboten. Wir müssen aber zugeben: Wir sind wirklich nicht auf Drogen. Wir haben früher beide, so mit 20, hin und wieder gekifft, aber seither eigentlich nicht mehr.
Dani: Es gibt auch Leute, die zuerst nicht verstehen, wie man so Sound machen kann, ohne auf Drogen zu sein.
Sevi: Wir sind dafür leidenschaftliche Biertrinker. Rauchen und trinken.
Dani: Das wollte ich schon auch noch sagen. Ich mag dieses Rauschgefühl sehr, sich in irgendwas verlieren.

Erfüllt ihr also auch das Rockstar-Klischee in Sachen Groupies nicht wirklich?
Sevi: Nein, aber wir haben ja auch nicht so groupie-mässige Fans. Das sind eigentlich alles immer so musikalisch interessierte Menschen.
Dani: Und wenn, dann sind das so ältere Synthie-Nerd-Groupies mit einem Bäuchlein, die schon vor dem Konzert dort stehen und übers Equipment fachsimpeln. Die fahren dann auch manchmal zwei Stunden fürs Konzert. Und sind meistens Männer.
Sevi: Auf der letzten Tour standen dann aber fünf, sechs, relativ junge Girls in der ersten Reihe, die die Songs kannten und mittanzten. Das ist definitv neu für uns.

Klaus Johann Grobe bittet am 12. Juli am Les Georges in Fribourg und am 14. Juli am Gurtenfestival auf, bevor die Herren sich ein weiteres Mal auf die andere Seite des grossen Teichs begeben. Mit dem Funk am See und dem Zürich Open Air stehen im August dann wieder Schweizer Festivals an.
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