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Fracking-Chemikalien können zu größeren Hoden und weniger Sperma führen

Dicke Eier, hoher Testosteronspiegel—nein, es geht nicht um Gangsta-Rapper, sondern in diesem Fall um Mäusemännchen, die für ein Experiment herhalten mussten. Ein im Labor zusammengestellter Chemikalienmix hat ihre Organe manipuliert. Chemikalien, die in der gleichen Konzentration auch in Abwasserproben von industriellen Fracking-Sites im US-Bundesstaat Colorado gefunden wurden.

Benzol, Steinkohleteeröl und Bisphenol A: Diese und weitere Chemikalien, die beim Fracking verwendet werden, machen Mäuse zu Mutanten. Das haben Hormon-Forscher der us-amerikanischen Endocrine Society in einer aktuellen Studie bewiesen. Männliche Tiere, die bereits als Föten über das Trinkwasser der Mutter mit diesen und anderen Chemikalien in Kontakt kamen, wurden mit bis zu zehn Prozent größeren Hoden geboren, die jedoch etwa 30 Prozent weniger Spermien produzierten.

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Je nachdem, wie stark sie den chemischen Stoffen ausgesetzt waren, stieg ihr Testosteronspiegel um 319 bis 516 Prozent an. Auch nahmen sie an Gewicht zu. Ihre Herzen und Thymi wuchsen. „Unsere Funde zeigen, dass die Fruchtbarkeit von Männern gefährdet sein könnte, die in Regionen starker Öl- oder Gasförderung leben”, interpretiert Studienautorin Susan Nagel die Ergebnisse im Interview mit Medical News Today.

Ein Mitarbeiter überwacht, wie Wasser und Chemikalien für das Fracking vermischt werden. Bild: Wikimedia/Joshua Doubek | Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Beim Fracking werden mehrere Millionen Liter mit Chemikalien versetztes Wasser unter die Erde gepresst. Der Druck soll Schiefer- oder Kohleschichten brechen und so versteckte Öl- oder Gasvorkommen freisetzen, die dann abgepumpt werden können. Doch die Methodik birgt Risiken. Das zeigen Fälle wie in North Dakota, wo allein im Jahr 2014 über 14 Millionen Liter Fracking-Abwasser ungeplant in die Umwelt gelangten.

„Wenn Fracking-Abwasser aus Lecks oder beim Transport in die Umwelt gerät, wird es meist mit Frischwasser verdünnt”, schreiben die Forscher. Von dort kann es bis ins Grundwasser gelangen. “Viele der Chemikalien wurden in der Nähe von Fracking-Sites im Grundwasser gefunden, in Konzentrationen von durchschnittlich 0,1 bis 1,0 Millilitern pro Liter.” Wie viel davon in das Trinkwasser von Menschen gelangt, ist unklar. Nimmt man diese Werte als Grundlage, müssten Bewohner von Fracking-Regionen jedoch mit einer Belastung von etwa 3 bis 30 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht rechnen.

Sind sie einmal frei in der Umwelt vorhanden, lässt sich die Aufnahme von chemischen Stoffen kaum verhindern. Die Chemikalien können über das Trinkwasser, die Atemluft oder die Haut in die Körper von Menschen und Tieren gelangen und dort in deren Hormonhaushalt eingreifen. Entweder docken die Chemikalien direkt an einen Hormonrezeptor an. Oder sie wirken indirekt, indem sie die körpereigenen Hormonspiegel von Menschen oder Tieren verringern bzw. steigern—so können sie auch Mutationen hervorrufen.

Welche Chemikalienmischungen Fracking-Firmen verwenden, ist nicht gänzlich geklärt. Viele Unternehmen weigern sich erfolgreich, etwa zehn Prozent ihres genutzten Chemikalienmix offen zu legen. Deshalb stützen sich wissenschaftliche Untersuchungen meist auf Abwasseruntersuchungen. Von den 24 in der Studie der Hormon-Forscher untersuchten Chemikalien, die sie Abwasserproben entnommen hatten, hatten 90 Prozent einen Einfluss auf Östrogene und Androgene—so eben auch auf das männliche Sexualhormon.

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Zwar gibt es in den USA, wo Fracking vor allem durchgeführt wird, bereits Risikotests. Doch laut der Wissenschaftler wird in diesen Tests die relevante Chemikalienkonzentration häufig unterschritten. Teilweise wurden bis zu acht Mal geringere Mengen verwendet, als in untersuchten Wassersamples aus industriellen Quellen zu finden war.

In Deutschland ist Fracking in Wasserschutzgebieten und in der Nähe von natürlichen Seen, aus denen Rohwasser für die öffentliche Wasserversorgung entnommen wird, verboten. Möglich ist die Erlaubnis von „Erprobungsbohrungen zur wissenschaftlichen Erforschung der Auswirkungen derartiger Maßnahmen auf die Umwelt“. Die Suche nach potentiellen Fracking-Gebieten ist also ausdrücklich erlaubt. Ab 2019 sollen auch kommerzielle Projekte zulässig sein, wenn eine Expertenkommission diese als unbedenklich einstuft.