Noisey sudert: Wien hat ein Afterhour-Problem

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Seit sich die Schmelze und der Queen Club aus dem Wiener Betrieb verabschiedet haben, scheint Wien mit der Afterhour-Situation zu kämpfen. Das stört nicht nur zehn Menschen—dass merkt man an den übervollen, vereinzelten Afterhours in der Stadt. Auf der einen Seite wären also die Betreiber und die Gäste, also die Menschen, die den Brauch, der sich ursprünglich auf Ibiza etabliert hat, auch wirklich zu schätzen wissen und hochleben lassen wollen.

Da stellt sich—”ausnahmsweise”—die Stadt Wien quer. Außer der Sperrstunden-Regelung, die für Lokale vorsieht, dass nicht durchgehend Party gemacht wird, kommt noch der Lärm dazu. Wie ich bereits letzte Woche gesudert habe, sind Wiener Anrainer Polizei-verwöhnt und greifen einfach zum Hörer, wenn ihnen ein paar verstrahlte Gestalten in ihrer Hood nicht passen. Oder auch, wenn ihnen die Hauptstadt am Vormittag zu laut ist. Die Polizei taucht dann auf der Afterhour auf und dreht sie ab. Ganz egal, ob die Auflagen und die Sperrstunde eingehalten worden sind. That’s how it rolls in Wien.

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Die Sperrstunde hat vielen Clubs schon den Haxen gestellt—man müsste, so wie es das Sass vorbildlich macht, seine Gäste rauswerfen, eine Stunde den Laden schließen und dann wieder öffnen. Was es bedeutet, wenn du die Gäste um 05:00 Uhr auf die Straße stellst und ihnen sagst, dass du leider erst wieder in einer Stunde aufmachen kannst, kann man sich ausmalen. Allerdings: Beim Sass hat sich das gut eingebürgert und momentan ist Morgengymnastik einer der besten Afterhour-Veranstaltungen in Wien.

R.I.P. mein liebstes Afterhour-Clubbing.

Außer dem Sass haben es durchaus andere Lokale mit Afterhours probiert. Die Auslage, die Grelle Forelle, das Hades, das Werk, die ehemalige Kantine und auch die alte Sauna haben zeitweise nach 06:00 Uhr noch Musik angeboten. Die letzten beiden Lokale gibt es (quasi) nicht mehr, die neue Pratersauna hat Afterhours angekündigt. Ob sie—ähnlich wie die Auslage—Probleme wegen Lärm oder der Sperrstunden-Regelung bekommt, bleibt abzuwarten. Die Lage außerhalb der gefürchteten “Wohngebiete” klingt aber versprechend. Wie man an der Aufzählung erkennen kann: Fast alle Techno-Clubs in Wien haben sich um Afterhours bemüht. Weil—Überraschung—Afterhours irgendwie zum Techno dazugehören.

Warum die übrigen Lokale aufgehört haben, steht in den Sternen. Des Polizeiberichts. Hinzu kommt, dass sich ein größerer Clubbetrieb in der Früh meistens nicht lohnt—auf einer expliziten Afterhour wird meistens nur Wasser getrunken. Außer dem Eintrittsgeld gibt es also kaum Einnahmen—der Betrieb mit dem vielen Personal frisst aber Geld. Besonders, wenn man nicht ein kleines Lokal ist—wie das Goodman oder der Queen Club—, sondern ein größerer Schuppen. Es wäre anders, wenn man einfach das Nachtevent länger machen dürfte. Wenn die Gäste nicht checken, wie spät es ist und wann die Party ausgeht, saufen sie ja auch um 08:00 Uhr munter weiter. Außerdem kommt der durchschnittliche Techno-Gast vor 02:00 Uhr sowieso nirgendwo hin.

Schon klar—das Gegenargument ist, dass man Drogenkonsum fördert und dafür einen Ort bietet. Aber: Ich kenne genug Menschen—einschließlich mir—die für ein gutes Booking, oder einfach aus Schmäh gerne ausgeschlafen auf Afterhour-Partys gehen. Außerdem merzt man die Drogenkonsumenten nicht aus, nur weil man ihnen keinen Raum gibt. Gehen sie halt heim und nerven als Anrainer ihre benachbarten Anrainer. Einmal hat ein Konservativer zu mir gesagt: “Partys finden eben in der Nacht statt.” Müssten sie aber nicht. Vor allem, weil ja in der Nacht der Lärm alle stört. Warum nicht auf den Tag verlegen?

Wer noch nie auf einer Afterhour war: Die Afterhour-Partys gehen viel ruhiger und gesitteter vonstatten als Hauptpartys, die in der Nacht stattfinden. Zumeist ist der Sound leiser, die Gäste sitzen und reden mehr. Sie sind ja auch nicht mehr so fit. In der Grellen Forelle oder anderen Schuppen, die zwei Floors haben, kann man zwischen einem Chill-Out-Sound und Techno wählen. So eine Afterhour ist also eigentlich ziemlich unspannend—man hat kaum Schlägereien und Probleme. Angenommen man hat eine schlaue Tür. Es ist eine ganz normale Party, nur eben besser. Bis auf die unsittliche Uhrzeit ist eine Afterhour die prüde Schwester der Nachtpartys. Übrigens könnten andere Musikrichtungen wie HipHop oder Indie ja auch Tagespartys machen. Würde ich nur begrüßen. Als Gast und als Wiener. Wenn man hier untertags feiern will, muss man leider noch immer auf ein Open-Air.

Sogar Wikipedia bestätigt, dass auf Afterhours Hippies herumrennen. Screenshot via Wikipedia.

Dann gibt es noch klassische Afterhour-Schuppen. Im Bereich des Technos fällt die karge Auswahl auf das Goodman. Das zieht aber sein ganz eigenes Publikum an und wird von einigen Feieranten durch die rigorosen Türsteher gemieden. Nach der Schließung des Queen Club und der Schmelze, versuchen sich neue Lokale zu etablieren—für sie ist es die perfekte Möglichkeit ihre Einnahmen zu sichern und ihre generellen Besucherzahlen zu steigern. Das durchaus spannende Lokal Puff hat erst durch seine Afterhours die Aufmerksamkeit der Wiener Partygeher geweckt.

Das Kinski versucht sich genauso zu etablieren—aber genau wie das Puff macht auch hier die Polizei ab und an wegen der Lärmbelästigung Faxen. Ist es tatsächlich zu laut? Nein, ist es nicht. Die Betreiber achten besonders darauf, eben nicht die Polizei herzulocken. Oft stehen extra vor dem Lokal Türsteher, um die potentiell lauten Gäste aus der Gegend zu vertreiben. Laute Musik hört man sowieso nie. Aber wenn die Anrainer sich beschweren wollen, dann beschweren sie sich. Und bekommen Recht.

Ein, zwei Lokale hatten noch keine Vorfälle mit der Polizei—darüber aber zu schreiben, würde wohl nicht nur Gäste anlocken. Es gibt auch Lokale, die keinen Techno spielen—das Concerto ist ein super Beispiel für eine Afterhour-Institution, die alles außer Electro spielt. Auch um den Naschmarkt herum hört man von Afterhour-Lokalen, die keinen Techno spielen. Es entzieht sich meiner Logik, warum man sich untertags auch über Lärm beschweren kann. Bis 08:00 oder gar 09:00 Uhr spielen die meisten Schuppen, die in Wohngegenden sind, extra leise Musik.

Warum es unklug ist, den Jungen keine Möglichkeit zum Weiterfeiern zu bieten, könnte ich hier noch in zehn Seiten ausführen. Aber das Hauptargument: Es würde niemandem schaden. Dem kleinen Lokal nicht, den Gästen nicht, den DJs nicht und ja, auch nicht den Anrainern. Schon gar nicht dem Staat. Wenn man Sachen verbietet, gehen sie nicht weg. Es besteht kein logischer Grund, dagegen zu arbeiten und die Party-Bevölkerung zu zwingen, nach Hause zu gehen. Zumindest in meiner Welt.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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