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Interviews

Austra will nicht über Mode reden

Austras Frontfrau Katie hat mit uns über Dinge gesprochen, die sie bedrücken, z.B. Sexismus in der Musikindustrie und das lächerliche Bohei um ihre Klamotten.

Foto: Nikita Kakowsi.

Als ich vor kurzem Austras neue Single „Home" im Radio gehört habe, bezeichnete der Moderator die Musikrichtung hörbar überfordert und nach Worten ringend als „Betroffenheits-House". Das fand ich gemein. Mein Alternativvorschlag wäre „tanzbares Seelen-Striptease". Das ist „Betroffenheits-House" alleine deswegen vorzuziehen, weil ich es mir lässig aus dem Ärmel geschüttelt habe und zweitens, weil Austra gar nicht betroffen sind, sondern traurig. Aber auch das ist okay, ich mag traurige Künstler, ich finde das nämlich romantisch. Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, dass Austra-Frontfrau Katie Stelmanis darauf scheißt, ob sie als wandelndes Klischee einer sensiblen Künstlerseele da steht oder nicht. Stattdessen ist sie einfach wie sie ist—und das ist nun mal eine sensible Künstlerseele, die es sich nicht nehmen lässt, über die Dinge zu reden, die sie bedrücken: Zwischenmenschliche Desaster, Sexismus in der Musikindustrie und das lächerliche Bohei um ihre Klamotten.

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Noisey: Als ich mir euer neues Album angehört habe, fand ich, dass die Melodien teilweise etwas freundlicher geworden sind, die Texte aber immer noch ziemlich düster und ehrlich gesagt ziemlich deprimierend geblieben sind. Spricht da ein Alter Ego oder bist das wirklich du?
Katie: Ja, stimmt. Beim Songwriting habe ich dieses Mal sehr gezielt darauf geachtet, von überspitzten melodramatischen Songstrukturen wegzukommen, aber die Texte sind recht düster geblieben. Sie offenbaren viel von mir und sind sehr ehrlich, aber das musste zu dem Zeitpunkt, als ich die Songs geschrieben habe, einfach sein. Es ist auch die erste Platte, für die ich wirklich Texte über mein Leben geschrieben habe. Bisher war es mir relativ egal, was ich singe. Ich habe mich davor generell nie groß um Texte gekümmert, weder beim Schreiben, noch beim Hören von anderer Musik. Aber jetzt singe ich über die Dinge, die mir wichtig sind. Alle Lieder handeln von bestimmten Personen oder bestimmten Sachen, die mir passiert sind und spiegeln eine ziemliche dunkle Phase meines Lebens wider.

Ist es nicht schwierig für dich, dein Seelenleben so offen zu legen?
Naja, das war es anfangs schon. Ich war vorher nie so ehrlich in meinen Texten, weil ich nicht damit klar kam, dass man so viel Verletzlichkeit zeigt. Aber dieses Mal war es wie ein natürliches Bedürfnis…Ich wollte auf diese Art mit bestimmten Leuten kommunizieren, die mir im Leben sehr wichtig waren oder noch sind, und die mich—sagen wir mal—nicht unbedingt gut behandelt haben. Ich hatte das Gefühl, ich muss das für mich selbst tun, aber auch für sie.

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Wissen die Personen denn, dass sie gemeint sind?
Ja, tun sie. Ich habe es ihnen gesagt, aber größtenteils ist es sowieso ziemlich klar, wer gemeint ist.

Wie haben sie darauf reagiert?
Die meisten haben es tatsächlich positiv aufgenommen. Und für mich ist es eine kathartische Erfahrung gewesen, die Lieder zu schreiben und sie jetzt auf der Bühne zu spielen. Und ich denke, bei ihnen sieht es ähnlich aus.

Musikmachen als Psychotherapie? Das alte Klischee…
Ja, ein absolutes Klischee! Aber auch wahr.

Da ist ein Song auf der Platte, der heißt „I don't care, I'm a man". Außerdem ist es bei ein paar deiner Bandkollegen schon sehr auffällig, dass sie sehr androgyn aussehen. Das schreit für mich geradezu nach Feminismus und Gender. Ist das Zufall oder ein Statement? Beschäftigen dich solche Themen?
Also meine Bandkollegen sehen auf der Bühne aus, wie sie auch sonst aussehen. Das ist kein Bühnen-Outfit und auch nicht direkt als Statement gedacht. Das ist einfach, wer wir sind und wenn das als Statement wahrgenommen wird: Meinetwegen! Aber ja, ich bin Feministin. Das ist wahrscheinlich auch der politischste Song, den ich je geschrieben habe und er hat definitiv eine anti-patriarchische Botschaft.

Fühlst du dich auch im Musikbusiness mit Sexismus konfrontiert?
Ja, auf jeden Fall! Jeder Industriezweig ist sexistisch und die Unterhaltungsbranche genauso. Es ist generell schwieriger als Frau Erfolg zu haben. Wir müssen härter arbeiten, um Anerkennung zu bekommen. Ich versuche aber auch, mir darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen, weil es einen auch blockieren kann, die ganze Zeit im Hinterkopf zu haben: Als Künstlerin habe ich es schwer und muss aufpassen, nicht von der Bahn gedrängt zu werden. Ich versuche, das für mich zu ignorieren, aber es ist definitiv da.

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Kannst du mal ein Beispiel bringen, wann du dich als Frau ungerecht behandelt fühlst?
Bei Künstlerinnen wird noch immer viel mehr darauf geachtet, wie sie aussehen und das ist echt ein Aspekt, mit dem ich große Probleme habe. Ich wünschte wirklich, das äußere Erscheinungsbild wäre nicht so eine große Sache.

Meinst du das jetzt auf dich bezogen oder generell?
Beides! Ich stelle auch oft bei anderen Künstlerinnen fest, dass die Leute ständig kommentieren, wie sie aussehen: Glaub mir, man braucht wirklich ein dickes Fell, damit man so etwas nicht zu sehr an sich ran lässt und weiter im Musikbusiness arbeiten kann.

Dabei sollte man ja meinen, dass solche Dinge gerade in der Independent-Musikszene keine so große Rolle mehr spielen.
Denkt man so. Aber weißt du, mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass es immer weniger Magazine gibt, in denen du als Indie-Band Aufmerksamkeit bekommst. Ihr hier in Deutschland habt einigermaßen Glück, bei euch gibt es noch recht viele Musikmagazine. Aber die meisten Interviews, die ich gebe, beschäftigen sich gar nicht mit mir als Musikerin. In 80% der Fälle geht es in den Interviews um Mode. Ich werde gefragt, was meine Lieblingsmodelabels sind, welche Klamotten ich auf Tour mitnehme, was ich am liebsten auf der Bühne trage und all das. Und ehrlich gesagt sehe ich nicht ein, warum ich als Musikerin solche Fragen beantworten sollte.

Willst du gar nicht über Mode reden? Du kleidest dich ja schon recht auffällig…
Ich mag Mode ja auch, Klamotten machen mir Spaß! Aber ich wünschte, der Schwerpunkt läge auf anderen Dingen. Ich bin ein totaler Nerd und würde am liebsten die ganze Zeit über die Ausrüstung reden, die wir für die Aufnahmen benutzt haben, in welchem Studio wir waren und welche Effekte wir benutzt haben. Ich will über meine Kunst reden und das ist eben Musik. Ich glaube auch einfach nicht, dass ich zu Modefragen ein besonders großen Beitrag leisten kann.

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Verstehst du, die meisten Leute interessieren eben mehr für dich als Person.
Das ist mir schon klar. Ach, ich fühle mich ja auch irgendwie geschmeichelt, aber trotzdem…

Das neue Album Olympia ist bei Domino erschienen.

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