Ein stark beschäftigter Paul Gallister—Alle Fotos vom Autor
In der Serie Die Leute hinter dem Erfolg stellen wir Musiker und Produzenten vor, die hinter den Kulissen für das Florieren der heimischen Szene verantwortlich sind. Eine Szene wird immer durch ihre unbeugsamen Künstler am Leben gehalten, welche auch im Angesicht aller Widrigkeiten einfach weitermachen und immer wieder neues Material veröffentlichen und sich bedingungslos in den Dienst der Kunst stellen. Zuletzt stellten wir Daniel Fellner von Seiler und Speer vor. Heute Paul Gallister, Filmkomponist und Produzent von Wanda.
Mit Amore und Bussi holte er sich Platin. Viel Erfolg für etwas, das eigentlich als Hobby begann. Paul Gallister ist für die Produktion der beiden Wanda Alben verantwortlich und wird von manchen das sechste Bandmitglied genannt. Marco Wanda will ihn als Produzenten nie wieder hergeben, für das dritte Album ist er bereits verpflichtet. Deswegen traut sich Paul mittlerweile nicht nur Filmkomponist, sondern auch Produzent zu nennen. Achja und bei „Rise Like a Phoenix” war er für die Orchestration zuständig. Auch kein Bemmerl. Dafür, dass er die österreichische Musikszene maßgeblich mitprägt, wirkt Paul noch sehr bescheiden, als wir ihn in seinem Studio im zweiten Bezirk besuchen, in dem er bis vor einem Jahr noch selber wohnte. Dabei ist er sich bewusst, was er erreicht hat.
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Die Küche und der Stehplatz
Er fragt, ob es OK sei, wenn er beim Interview steht. Seit er bis vor ein paar Jahren mit Rückenproblemen inklusive Bandscheibenvorfälle zu kämpfen hatte, arbeitet Paul fast nur noch im Stehen. Deswegen holte er sich auch einen elektronisch höhenverstellbaren Tisch ins Studio. Ein Bett steht zwar auch immer noch in der umfunktionierten Wohnung, für den Fall, dass er mal keine Lust mehr hat nach Hause zu gehen, recht oft benützt wird es aber nicht. Lieber trennt er Arbeit und Privates. Auch wenn er sich mit Marco Wanda trifft, redet er lieber über Politik und Hemmingway, als über Musik. Weniger Leidenschaft für sein Schaffen bedeutet das nicht. Im Gegenteil—er liebt und braucht die Abwechslung. Das sieht man auch an seinem Filmmusikportfolio. Seine letzten vier Arbeiten umfassten einen 80er Synthiesoundtrack für einen Slasher-Film, ein Soundtrack mit dem Sänger der Steaming Satellites, ein Saxophontrio, das keinen Jazz machte und „Geräuschwolken mit Klavierakzenten”. So hat er es zumindest beschrieben. Alles andere als der Nicht-Indie-Schlager von Wanda auf alle Fälle.
Heute sind Wanda und Gallister wie Katzen und Kartonschachteln: unzertrennlich. Dabei begann ihre Beziehung nicht sehr aussichtsreich. „Ich hab Marco vor etwa sechs Jahren kennengelernt. Da haben wir uns nicht besonders gut verstanden. Erst zwei Jahre später haben wir uns nochmal getroffen und ein langes und versöhnliches Gespräch über Musik geführt. Er hat dann gesagt, er habe Lieder und er glaube, dass sie super seien”, sagt mir Paul. Bei diesen Demos war auch schon „Luzia” in einer abgespeckten Lagerfeuerversion dabei und es schließlich auch auf Amore schaffte. Den Sound, den wir heute mit Wanda verbinden, mussten Paul und Marco erst finden. Ausprobiert haben sie Sounds aus den 80ern und 60ern. Geeinigt hat man sich auf irgendwas in der Mitte. Es fehlte nur noch die Band. Da Paul so maßgeblich am Entstehungsprozess der Songs beteiligt war, stand auch zur Diskussion, ob er der Band beitritt. Paul lehnte ab. „Das wäre falsch für meinen Lebensplan und falsch für das Bandimage gewesen. Natürlich wär es rückblickend cool gewesen. Meine Karriere ist mir aber immer noch wichtiger”, sagt er zu seiner Entscheidung.
Lieber konzentriert er sich jetzt darauf aus den Ideen, die Marco anschleppt, gute Songs zu schneidern. Das Wichtigste an guten Songs? Die Stimme. Sie sorge alleinig für Emotionen. „Mit Instrumenten kann man keine Leute berühren, man kann sie nur erschlagen damit”, sagt Paul. Deswegen war er sich auch von Anfang an sicher, dass Wanda funktionieren werden. Höre man Marcos Stimme im Radio würde man sofort wissen, von wem der Song gerade sei. Diese Unverkennbarkeit macht Wanda aus. Das und was sich Paul von George Martin abgeschaut hat: Reduktion und Verdichtung. Wenn die Arbeit an einem neuem Song beginnt, arbeitet er zuerst so lange an der Lagerfeuerversion des Songs, bis dieser so weit ist, dass man ihn nur noch aufnehmen und später nicht mehr daran herumbasteln muss. Paul sieht das so: „Wenn man es schafft, dass der Song am Lagerfeuer funktioniert, funktioniert das in jeder Version.” Als Produzent sei er verantwortlich, dass der Künstler bessere Songs schreibt, sagt Paul auf die Frage nach seiner Aufgabe.
Er ist also an Wandas Erfolg beteiligt und damit auch am Ruf Österreichs, endlich wieder in der Lage zu sein, gute Musik zu exportieren. Dabei ist er zu einer Zeit eingestiegen, in der er die Musikszene in Österreich für nicht fähig hielt. Mittlerweile sieht er das anders und findet es super, dass neben Christina Stürmer auch Bands wie Bilderbuch und Wanda in Deutschland erfolgreich sind. „Aber es gibt immer Leute, die sagen Wanda ist scheiße. Es soll ja auch Leute geben, die sagen die Beatles sind scheiße. Wenn das jemand ist, der über 20 ist, dann will er nicht mehr provozieren und ist offensichtlich ein Trottel. Das kann ja nicht sein. So wenig kann man nicht verstehen von Musik”, sagt Paul.
Gold und Platin stehen ihm gut.
Wenn er nicht gerade produziert, ist Paul eigentlich Filmkomponist. Er mag die Herausforderung Soundtracks zu komponieren. Vor allem das Fehlen einer Kontrollinstanz macht es für ihn fordernd: „Film ist einfach spannend als Ganzes, weil man so viel hineinstecken muss und so viel verstehen muss von Bild und Ton und Schnitt. Und weil ein Film nicht zu zweit auf einem Tisch entstehen kann wie ein Lagerfeuersong.” Nach dem Interview trifft sich Paul mit Ansa, nein nicht unserem Ansa, sondern einen deutschen Songwriter, der bei Sony unter Vertrag steht. Dass er bei Ansa wieder ganz anders arbeiten wird, als mit Wanda, macht ihn glücklich.
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Benji produziert auch auf Twitter: @lazy_reviews