Du weißt erst, dass dein Tattoo wirklich toll ist, wenn die eine Hälfte der Leute, denen du es zeigst, das Gesicht verzieht und aussieht, als würde sie gleich umfallen und loskotzen und die anderen Hälfte sofort „Fake” brüllt. Wenn du wie ich ein HipHop-Nerd bist, hast du ohne Zweifel ein Foto des frisch gestochenen DRAKE-Stirn-Tattoos gesehen, das sich seit letzten Dienstag auf allen Rap-Homepages viral verbreitet hat. Du magst nun entrüstet darüber sein, dass jemand so offensichtlich durchgeknallt ist und trotzdem die Erlaubnis zu so etwas bekommt.
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VICE: Hi Kevin, wer hat das Bild gemacht?
Kevin: Norm, mein Chef. Das Foto ist beschissen, weil das Tattoo darauf total krumm und schlecht gestochen aussieht, aber eigentlich ist es sehr gut angelegt und kerzengerade. Die Fotos von davor, währenddessen und danach, die mein Kollege gemacht hat, sind besser. Aber als Norm das nun bekannte Foto schoss, verkrampfte sich ihre rasierte Augenbraue ein wenig, so dass das „A” in „DRAKE” richtig scheiße aussieht. Die Augenbrauen waren übrigens schon abrasiert, als sie in den Laden kam. Ihr Kopf war auch rasiert.
Wie hast du reagiert, als sie dir von ihrem Wunsch erzählte?
Lustigerweise wusste ich gar nicht, wer Drake ist. Ich dachte, es wäre ihre Hood oder so ein Scheiß, nicht irgend so ein daher gelaufener R&B-Typ.
Hat sie erzählt, was ihr das bedeutete? Hatte sie das schon lange geplant oder war dachte sie sich eher: „Mach es auf die Stirn” und das war’s?
Ja, sie war deswegen wirklich aufgeregt. Sie hatte diese beschissene Schriftart bereits auf dem iPhone und blieb hartnäckig bei ihrer Idee mit dem Stirn-Tattoo. Sie verlor kein Wort darüber, was es ihr bedeutete. Ein paar Typen im Laden fragten sie und sie kicherte nur rum. Als ich das erste Bild der Buchstaben ausdruckte, wollte sie es größer, so dass es ziemlich genau von einer Seite des Haaransatzes zur anderen verlief. Ich dachte, sie hätte deswegen ihre Augenbrauen rasiert. Als ich also die Schablone zum ersten Mal ansetzte, saß sie genau über ihren (fehlenden) Augenbrauen. Sie aber wollte es größer und fast am Haaransatz. Aber ja, sie verhielt sich so, als hätte sie das schon eine Weile geplant—aber ich bin mir nicht sicher, wie viele längerfristige, schlüssige Gedanken man sich wirklich darüber gemacht haben könnte, um sich ein dämliches Tattoo auf die Stirn stechen zu lassen.
Wow. Hast du dich danach schlecht gefühlt?
Meine Einstellung zu Leuten, die ein komplett abscheuliches Tattoo wollen, das wahrscheinlich ihr Leben ruiniert, ist folgende: Ich frage die Leute dreimal, ob sie es für eine wirklich gute Idee halten und erkläre ihnen die möglichen Konsequenzen eines Gesichts-Tattoos—danach liegt die Entscheidung bei ihnen. Ich glaube, Leute bekommen die Tattoos, die sie verdienen. Es ist mir nicht wirklich fremd, jemandem Gangscheiße ins Gesicht zu tätowieren—ich dachte anfangs ja, dass es so was wäre. Ich glaube, ich fühle mich schlecht, weil diese Dumpfbacke den Namen der weichsten Lusche des HipHops auf ihrer Stirn tätowiert hat. In der ersten Nacht lag ich deswegen wach und fragte mich, ob ich als das Arschloch bekannt werden wollte, das irgend so einem Cracksuchti „DRAKE” auf die Stirn tätowiert hat. Keines meiner vorigen Tattoos hatte irgendwie Aufmerksamkeit erregt, deswegen war ich über die Reaktion bei diesem ein bisschen überrascht. Ich überlege noch immer, ob ich euch alle Bilder schicken sollte, weil ich den Laden nicht in ein schlechtes Licht rücken will—aber es ist, wie es ist. Sie hat mich schließlich dafür bezahlt, also hat sie es sich selbst angetan.
Also siehst du es als deine Aufgabe, den Leute ihre Wünsche zu erfüllen?
Es gibt die Möglichkeit, die Kunden in eine Richtung zu lenken, so dass ihre Tattoovorstellung besser aussieht—wenn ihre Ideen zwar ihnen gut vorkommen, aber als Tattoo nicht gut rüberkommen würden. Normalerweise passiert das, wenn sie nach einem Tattoo fragen wie beispielsweise einer Rose, in deren Blütenblättern 20 Namen und Daten versteckt sind oder so was in der Art. Bei so etwas einfachem wie Buchstaben hätte ich vielleicht versuchen können, ihr eine schönere Schrift vorzuschlagen oder eine andere Stelle (ganz offensichtlich), aber sie hatte sich bereits auf diese Schrift im Collegejacken-Stil eingeschossen.
Ja, sicher, ich hätte die Möglichkeit gehabt, sie wegzuschicken, und ich habe von anderen Tätowierern deswegen bereits ziemlich heftige Kritik bekommen. Ich sehe es aber so: Wenn ihr kleines Herz so sehr an einem Stirn-Tattoo hängt, hätte sie einfach weitergemacht, bis sie jemanden gefunden hätte, der ihr das Tattoo sticht. Ich finde, dass ein farbiges Tattoo vom Joker aus Batman eine dämliche Idee ist, aber wer zum Teufel bin ich, darüber zu urteilen? Wer wäre ich, festzulegen, was falsch und richtig ist?
Bist du überrascht darüber, wie schnell sich das Foto verbreitet hat?
Ehrlich, ich dachte nicht, dass es ein so großes Ding werden würde. Ich mache mir immer noch Gedanken darüber, ob es eine gute oder schlechte Idee war, dass mein Name nun mit dieser Scheiße in Verbindung gebracht wird. Ich habe mir selbst noch keinen so großen Namen gemacht und ich will nicht, dass ausgerechnet dieses eine Tattoo meine gesamte Arbeit repräsentiert. Ich will das nicht unbedingt in einem Brief an meine Mama schreiben—verstehst du, was ich meine? Ich habe vor Kurzem wirklich schon verrücktere Gesichts-Tattoos gestochen, habe mich aber sehr darum bemüht, dass sich der Scheiß nicht im Internet verbreitet. So viele Jugendliche rennen mit lächerlichen Gesichts-Tattoos durch die Gegend, über die ich im Vorhinein nicht so viel nachgedacht habe. Außerdem bedeutet dieses ganze Rasierte-Augenbraue-Ding normalerweise, dass du dich mit deiner Nachbarschaft identifizierst oder so was, deswegen dachte ich, sie wäre nur eine verrückte Gangsterbraut auf Drogen, die „zu ihrem Viertel steht” oder was auch immer.
Meiner Meinung nach wird die ganze Welt zu Scheiße, und Scheiße fließt bergab, deswegen könnte ich auch einfach reinspringen, den Atem anhalten und zu Gott beten, dass da eine schöne, große, weiche Lache Dünnschiss auf mich wartet, wenn die Kacke mal so richtig am Dampfen ist.
Ich frage mich, was in ihr vorging, als sie diese Entscheidung traf.
Man, ich wünschte, ich könnte dir den Kontakt zu ihr vermitteln. Die Geschichte ist sicherlich ziemlich stark. Dummerweise hat sie auf der Einverständniserklärung keine Nummer hinterlassen, nur ihren Namen. Aber sie müsste eigentlich wiederkommen, wenn das Tattoo abgeheilt ist und wir es fertig machen können (sie hatte nur genug Geld für die Outlines). Dann könnte ich wahrscheinlich mit ihr reden. Sie war ziemlich gut drauf, als sie rein kam, aber als ich fertig war, kam sie, glaub ich, runter. Ihr Verhalten änderte sich ziemlich drastisch, als das Tattoo erst mal fertig war.