Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis irgendjemand auf die Idee kommt, die Erfahrung virtueller Realität mit der einlullenden Gesamtatmosphärenkunst von Marvin Gaye zu verbinden. Und die neue SexWithGlass-App verspricht nicht nur, die allseits beliebte Schmusemusik per „Augmented Reality” ansteuern zu können, sondern nicht weniger als die Antwort auf die Frage: „Wie können wir unseren Sex mit Google Glasses noch fantastischer machen?”
Als eine Gruppe von Studenten während eines „Wearable Technologie Hackathons” die heilige Datenbrille in ihren eigenen Händen halten durfte, war dies jedenfalls die logische Frage, die sich ihnen stellte. Ein Workshop-Tag Ende November, an dem ihnen ein Google-Glass-Modell zur Verfügung stand, reichte ihnen, um mit der Entwicklung einer App für den technisch erweiterten Sex zu beginnen.
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In einigen Wochen wollen die angehenden Designer um Satara Achille und Sherif Maktabi vom renommierten Londoner Central St. Martins College mit Glance nun eine iPhone-Anwendung auf den Markt bringen: „Wir möchten die Art und Weise verändern, wie du etwas sehr Persönliches erlebst. Es geht uns um das nahtlose Verschmelzen von zwei Perspektiven”, berichtete mir Satara von ihrem ersten Schritt, der die Eindrücke der Google Glass einem größeren Publikum zugänglich machen wird. Aber dies die anstehende iPhone Version ist nur der erste Schritt um die Zeit zu überbrücken bis das gefühlsechte Originalerlebnis mit den Datenbrillen einer größeren Menge Menschen zugänglich sein wird.
Alle Bilder: Bildschirmfotos von sexandglass.com (verwendet mit freundlicher Genehmigung)
Sind die Google Glasses einmal aufgesetzt, beginnt alles mit dem unwiderstehlich selten verführerischen Spruch: „Ok Glass. It’s time.” Schon öffnet sich dir eine Welt, die all das bereithält, was heute von Cybersex erwartet werden kann: Livestreams ,sharen’, automatische Videoaufnahmen, neue wechselnde Blickwinkel und Sprachsteuerung deines vernetzten Zuhauses. Du kannst die Glass-App auch mit deinem Smartphone verbinden und hast damit laut der Entwickler die Möglichkeit, „dich selbst aus jedem Winkel zu beobachten”—zusätzlich zur Point-of-View-Perspektive der verschiedenen Glasses, zwischen denen du hin und herschalten kannst.
Bis jetzt ist noch keine genauere Vorschau der Funktionsweise veröffentlicht worden, aber das ganze könnte wohl wie das gute alte Skype-Szenario ablaufen, in dem du mindestens die Hälfte der Zeit darauf verschwendest zu checken, wie dein eigenes Mini-Bild aussieht, während dir der eigentliche Sinn der Unterhaltung entgeht. Aber es bieten sich natürlich auch neue intimere Service-Welten. So genügt der einfache Ausruf „Glass, give me Ideas”, und schon verspricht die App, dich zu neuen Stellungen zu inspirieren.
Meine geschätzte Motherboard-Kollegin Victoria Turk in London hat jedenfalls berechtigterweise festgestellt, dass die Glass-App wohl ein besseres Erlebnis wäre ohne die Glasses, aber dass hier immerhin jemand versucht, die reichhaltigen Innovationsmöglichkeiten für Sex-Technologien zu erproben: „Und warum nicht, wenn das für einige Menschen funktionieren sollte, würde ich sagen, legt los”, kommentiert Victoria.
Die bisher in wenigen Monaten entwickelte App ist auf jeden Fall ziemlich genau innerhalb des Grenzen dessen, was so an naheliegender technologischer Dienstleistung für eine Google-Glass-Sex-App denkbar ist. Während virtuell erweiterter Sex zu einer realistischeren Möglichkeit für mehr Menschen wird, so banalisiert die aktuelle App-Entwicklung eine techno-feministische Utopie von Fortschritt, wie sie z.B. von Donna Haraways Cyborg-Manifesto von 1985 vertreten wurde. Die banale Realität der GlassAndSex-App wurde unterdessen auch dafür kritisiert, dass sie in ihrer Abbildung von Männern und Frauen eher im Rahmen eines konservativen Rollenschema verbleibt. Gestern noch wurde die Datenschutzfunktion der App mit dem Spruch „For all the Ladies out there” beworben, wie the Verge berichtet; allerdings wurde dies inzwischen von der Seite genommen.
Tech-Blogger wie Nick Starr, die ihre Google-Gadgets primär als allgemeingültiges Jungsspzielzeug verstehen, dürften sich für solche Überlegungen aber ohnehin kaum interessieren. In seiner ausgeprägten Aufdringlichkeit hatte Starr vor einigen Wochen in Seattle die beängstigenden Stalker-Stärken der Brille verdeutlicht, als er stur darauf bestand, seine Brille in einem Restaurant aufbehalten zu dürfen, bis er rausgeschmissen wurde—vollkommen zu Recht. Aber es braucht wohl keine Glasshole-Blogger, um zu sehen, dass eine App wie SexWithGlass den logischen nächsten Schritt der bisherigen Entwicklung vom Facebook-Stalken deines Gegenübers dank „Augmented Reality” darstellt, und außerdem schlicht und einfach ein großer Markt für die Verbindung von Sextechnologien und virtueller Realität existiert.
Auch einer der im Libanon aufgewachsene Mitentwickler Sherif Maktabi bestätigt aus eigener Erfahrung gegenüber dem Guardian das große Interesse an seiner App: „Aufgrund der E-Mails, die wir bekommen, kann ich sagen, dass viele Leute sich nach einer App wie unserer sehnen. Die Menschen haben Fantasien, Bedürfnisse und Begehren. Was sie damit machen, sollte ihnen überlassen bleiben. Wenn es um Sex geht, dann sind Schuld, Dogma und Scham immer noch viel zu weit verbreitet.”
Während James Deen uns schon die Nachteile von Google Glasses beim Pornodreh gezeigt hat, so stellt sich bei einer App für Amateur-Glass-Pornos vor allem das Problem der Privatsphäre. Es ist die unabwendbare Frage, mit der sich die meisten Glass-Apps konfrontiert sehen. Die Entwickler von SexWithGlasses versprechen jedoch, dass alle aufgezeichneten Daten eine Sache der Nacht bleiben werden, und sich nach fünf Stunden automatisch löschen. Selbst wenn nach dieser Zeit ein erfolgreicher vollständiger Löschvorgang der Daten stattfindet—was beispielsweise Snapchat nie gelungen ist—, so ist und bleibt in einer Welt des weit verbreiteten Phänomens des „Revenge Porn” immer noch einer der größten Gefahrenfaktoren für die Sicherheit unserer intimen Daten—das gute alte menschliche Vertrauen.
Im Angesicht der grassierenden Privatsphärenpanik stellt sich natürlich die Frage, ob der alte Spitzname der NSA von „No Such Agency” dank einer Amateur-Porno-App und der Möglichkeit massenhafter, intimer Selbstaufzeichnung nicht bald umbenannt werden muss in „National Sex Archive”. Aber selbst wenn sich die App der Londoner Studenten und Designer durchsetzt, und Überwachung dich nicht im Besonderen anturnt, dann bleibt dir immer noch das charmante Codewort, mit dem SexWithGlasses deine virtuelle Erfahrung beendet: „Ok, Glass. Pull Out.”
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