In Warteschlangen kann einem schnell die Zunge zum Hals raushängen. Foto: Grey Hutton
Warteschlangen nerven, keine Frage. Während du dich noch voller Vorfreude auf den Weg zum Club machst, dämpft sich die Stimmung häufig beim Anblick der sich in Reih und Glied anordnenden Partygänger schlagartig. In deinem Kopf zündet sofort ein Fragenfeuerwerk: Wie lange müssen wir hier anstehen? Lohnt sich das überhaupt? Hab ich noch genug Bier für die Wartezeit? Warum hab ich nicht die wärmere Jacke mitgenommen? Warum können die komischen Leute da an der Schlange vorbei? Ob die Türsteher es merken, wenn wir uns vordrängeln? Kann ich da vorne pinkeln gehen?
Es gilt Ruhe zu bewahren, erst mal nicht durch lautes Gegrölle und Gezeter auffallen und unseren Knigge befolgen.
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Überleg dir rechtzeitig eine Aufteilung
Dieser Aspekt wird von einigen Leute gerne belächelt oder wegdiskutiert. Gerne von Männern, die in Kollektiven von zehn oder mehr Gattungsexemplaren betrunken (zu Recht) von den Türstehern abgewiesen werden, weil sie in ihrer Tommy-Hilfiger-Einheitskleidung bereits johlend und lallend die anderen Gäste in der Schlange terrorisiert haben. Allerdings haben diese Verneiner dieser These auch ein berechtigtes Gegenargument: Hätten sie sich aufgeteilt, wären sie auch nicht reingekommen. Wahrscheinlich wissen sie das insgeheim. Dennoch sollten deine Freunde und du vorher überlegen, wie ihr euch aufteilt, wenn ihr mehr als zwei Leute seid. Kleinere Gruppen kommen wahrscheinlicher rein als größere, allerdings nur bei entsprechender Mischung. Solltest du Freundinnen dabei haben bzw. du selbst eine Frau sein, teilt ihr euch idealerweise auf. Es ist zwar bescheuert, aber viele Türen funktionieren leider immer noch nach der Ratio, dass je größer der Frauenanteil ist, du desto eher davon ausgehen kannst, im Club zu landen. Wenn die bzw. ihr Frauen nicht unter 21 und keiner außer aus der Gruppe zu, also auffallend, betrunken ist. Womit wir zum nächsten Punkt kommen.
Sei nicht zu betrunken
Das sogenannte Vorglühen macht Spaß und ist mitunter der beste Teil des Abends. Die Vorfreude auf die bevorstehende Nacht wandelt sich in gute Laune um. Willst du aber nicht umsonst anstehen, empfiehlt es sich, nicht mit Maximalpegel am Club anzukommen. Falls es kurz davor ist und ihr durch jahrelanges Training gelernt habt, ein Restmaß an Bewusstsein im Suff zu bewahren, könnt ihr die Wartezeit in der Schlange nutzen, um den Alkoholpegel auf ein annehmbares, das heißt: zivilisiertes, Maß zu bringen. Frische Luft und erst mal kein Ethanol mehr. Das heißt auch: keine “Mischen” mit Wodka oder ähnlichem Hartalk, die ihr kurz vor dem Aufbrechen mit dem entsprechenden Augenmaß gemacht habt und in der Schlange leert. Denn im schlimmsten Fall setzt der Alkohol genau dann mit all seiner hochprozentigen Brachialität ein, wenn ihr vor dem Türsteher, sorry, vor dem “Selector” steht und ihr kriegt keinen ganzen für das grimmige Gegenüber verständlichen Satz raus. Meistens ist die Nummer dann gelaufen. Der Türsteher fragt dich, wie viele ihr seid und du sagst: “Wiear sünd zuuuu zsext.” Dabei hattet ihr euch, entprechend des oben genannten Rats, extra vorher in zwei Gruppen à drei Personen aufgeteilt, was du durch deinen gegenwärtigen neuronalen Standbyzustand jedoch vergessen hast. Nicht nur für dich ist der Abend dann erst mal vorbei, sondern auch für deine Freunde, die dementsprechend sauer sein werden. Direkt aus diesem Sachverhalt ableitbar ist die nächste Verhaltensempfehlung.
Lass den Tagesvollsten nicht zum Gruppenführer werden
Es ist ein nahezu unumstößliches Gesetz: Irgendwer liegt bei Verlassen der Vorglüh-Wohnung von den Promille her so deutlich vor allen anderen, wie sonst nur der FC Bayern vor seinen Konkurrenten. Bist du nicht selbst diese Person, solltest du diesen Zustand subtil bekämpfen. Betrunkene zu überzeugen, nicht mehr in derselben Frequenz weiterzumachen, gehört nun in der Tat zu den schwierigsten Herausforderungen des hedonistischen Unternehmens. Daher musst du zumindest versuchen, dass die Person nicht direkt vor dem Auswahlkomitee der Clubpforte herumtaumelt. Denn er oder sie wird banale Fehler machen, die er oder sie zudem am nächsten Tag zutiefst bereuen wird. Sollte der Tagesvollste nicht vergessen, dass ihr euch in zwei Gruppen aufgeteilt habt, dennoch aber selbst nicht reinkommen, wäre es clever, diese Eventualität vorher zu besprechen. Geht die andere Hälfte ohne den Rest in den Club—und der versucht es später ein zweites Mal—oder seid ihr solidarisch mit den Gescheiterten?
Studiere die Schlange
Wer kommt rein? Schlange vor dem Kölner Club Heinz Gaul. Foto: Thilo Schmülgen
Wenn du in einen Club gehst, willst du vom Studieren wahrscheinlich grad überhaupt nichts wissen, weil dir dann die ganzen noch zu erbeutenden Credit Points einfallen, die in deinem Transcript of Records seit geraumer Zeit fehlen. Oder du denkst an die alten Studententage, als du dich noch nicht der täglichen Last des Berufslebens hingeben musstest. Trotzdem— das gilt auch ohne jeden Kontakt mit dem akademischen Fließbandbetrieb—solltest du deine Beobachtungsfähigkeit einsetzen, um die Zusammensetzung der Warteschlange zu analysieren. Wen lassen die Türsteher zum Beispiel rein? Ein grobes Profil der Auswahlkriterien an der Tür kannst du so zumindest erstellen. Wenn du das getan hast, guck dich um. Stehen vor dir Menschen, die in jedem Fall reinkommen, weil sie den typischen Hipster-Style haben, den du so beliebig findest? Wenn ja, dann schau, ob hinter dir eine Gruppe ist, die das Gegenteil darstellt: jung, unerfahren, viel zu betrunken und naiv. Ist dem so, lass sie schnell vor, als Puffer. Denn je ausfallender die Leute direkt vor dir sind, desto wahrscheinlicher kommst du mit deiner Gruppe rein. Außerdem wirkst du durch das Vorlassen äußerst nett.
Vermeide schwierige Themen
Warteschlangen sind kein Debattierclub und auch kein Stammtisch, den du ohnehin meiden solltest. Führst du mit deinen Freunden kontroverse Diskussionen über aktuelle Themen, bestehen aufgrund deiner eigenen oder der Angetrunkenheit anderer zwei Gefahren. Erstens kann es leicht passieren, dass du zu laut und dabei polemisch wirst. Zweitens mischen sich gerne andere Leute, die in der Regel noch betrunkener sind, in die Diskussion ein und Zack, wird es laut. Die Einmischer denken dann, ihr wärt jetzt dicke Freunde und quatschen euch voll. Das wirft ein schlechtes Bild auf dich und deine Gruppe. An der Tür denkt man, ihr würdet zusammengehören, weshalb die Wahrscheinlichkeit fürs Reinkommen erheblich sinkt.
Übrigens auch nicht schlau: laut über den etwaigen Mangel an eigenen Drogen zu reden, die man sich unbedingt drinnen irgendwo besorgen müsse. Zu diesem Zweck oder zu anderen wild mit der Lautstärke eines Marktschreiers herumzutelefonieren, fällt auch unter die Kategorie von “besser lieber nicht.”
Verhalte dich vor der Tür nicht wie bei einer Beerdigung
Nur weil du gelesen hast, dass du mit schwarzen Klamotten die besten Karten zum Reinkommen hast, musst du dich nicht so verhalten, wie es bei anderen Anlässen für diese Kleidung üblich ist. Betretenes Schweigen und nach unten gesenkter Blick vermitteln nicht in den Eindruck, als sei es eine gute Idee, dir den Zugang zu gewähren. Natürlich solltest du auch nicht völlig überdreht und happy vor den Grenzbeamten des Clubs stehen. Ein kurzes Lächeln und ein angemessen lautes Hallo ist das Beste, was du tun kannst. Wichtig: Grüß den Türsteher zuerst, entweder verbal oder durch ein kurzes Zunicken.
Sei auf die Fragen der Türsteher vorbereitet
Noch genug Zeit, um sich auf die Fragen der Türsteher vorzubereiten. Foto: Imago
Bei allen Mystifizierungen des Selektionsprozesses an den Clubtüren wird meistens unterschlagen, dass es eine Reihe von immer gleichen Fragen gibt, die die muskulösen Männer in Schwarz oder kritischen Barhockerinnen den meistens weniger muskulösen Clubanwärtern und -anwärterinnen in Schwarz stellen. Wieviele seid ihr? Diese Frage ist fast immer leicht zu beantworten. Auf keinen Fall solltest du dich verzählen. Und ebenso auch nicht den Bestseller des deutschen Schmalspurphilosophen Richard David Precht zitieren: “Wer bin ich—und wenn ja, wieviele?” Nicht weil alle Türsteher durchweg keine Bildung haben—nicht wenige haben vielleicht sogar mehr als du—, sondern weil das Lesen solcher Bücher auch nicht mehr Erkenntnisgewinn bringt als das Lesen eines Glückskeksspruches.
Eine weitere beliebte Frage: Wo kommt ihr grad her? Hier empfiehlt es sich ebenfalls, keine Witze zu machen: “Von Draußen vom Walde komm ich her” oder “Von deiner Mutter” sind schlechte Antworten. Und selbst wenn du grad nicht von zu Hause kommst, behaupte es trotzdem.
Wichtig und eventuell noch zu Beginn des Anstehens zu klären, ist die Frage, warum man da ist. Welche DJs legen auf, wie heißt die Partyreihe. Wird diese Frage von der Tür-Jury gestellt, verhilft dir die richtige Antwort eigentlich immer zum Erfolg. Zu sagen, dass du für Vice arbeitest, hilft übrigens nicht. Weil es unglaubwürdig ist: Vice-Mitarbeiter haben keine Zeit zum Feiern, da sie auf ihr Eigenheim sparen müssen.
Stell dich nicht mit halbvollem Bier vor die Türsteher
Muss man das erklären?
Nimm alles nicht so ernst
Du fragst dich jetzt vielleicht, ob wir noch alle Latten am Zaun haben, hier einen Knigge für Warteschlangen zu präsentieren. Am Anfang mag es auch nervig sein, sich auf diese Vorschläge einzulassen, mit der Zeit wird es aber zu einer Routine, die es für dich und deine Freunde wahrscheinlicher macht, in dem Club eurer Wahl zu landen. Falls es doch nicht klappt (Wir geben dir hier keine Garantie!), solltest du mit der nötigen Distanz auf das ganze Geschehen blicken und es als ein Kasperletheater sehen. Auf das du trotzdem manchmal Bock hast. Schwierig.
Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.
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