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Briefe für Traiskirchen

Die Identitären verteilen in Traiskirchen Flyer, in denen sie Flüchtlingen sagen, sie sollen heimkehren. Identitäre, geht scheißen. Wir starten nun die Gegenkampagne.
Illustration: Jonas Herbst

Vor zwei Wochen hat die Identitäre Bewegung in Traiskirchen Zettel an Flüchtlinge verteilt. Die Zettel waren auf Englisch geschrieben und die Menschen wurden darin direkt angesprochen. Sie sollen den Flüchtlingen von Masseneinwanderung und Heimat erzählen. Es wirkt ein bisschen, als würden die Identitären an die Menschlichkeit der Flüchtlinge appellieren: Versteht uns, ihr nehmt uns unsere Identität und unsere Reaktion ist daher nur natürlich.

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Es beginnt mit „We don't know how and why you came to our country … our goal is a world in which everybody can have a future and prosperity in his own country" und wird mit jedem Satz schlimmer. „If you are a real refugee, the Austrian people will help you. You should get a proper shelter. You could also get an education here that will help you to REBUILD YOUR COUNTRY after the crisis is over and when YOU ARE GOING HOME."

Doch wenn die Flüchtlinge nicht geflohen und auf illegalem Wege nach Österreich gelangt seien, dann „NO WAY – YOU WILL NOT MAKE EUROPA [sic] HOME." (Ganz nach australischem Vorbild.)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass es Flüchtlingen nicht möglich ist, legal nach Europa einzureisen. Asyl muss in Europa beantragt werden. Um nach Europa zu kommen, braucht man ein Visum. Menschen, die in Kriegsgebieten wohnen, haben keine Möglichkeiten, an ein Visum zu kommen. Das liegt an mehreren Dingen, die hier sehr gut beschrieben sind.

Diese Flyer verteilen die Identitären an Flüchtlinge in Traiskirchen. Ich bin kurz vor dem Heulen. pic.twitter.com/ejneC1lCPS
— Hanna Herbst (@HHumorlos) 22. Juni 2015

Die Identitären mögen diese Zettel verteilen, aber sie sind ein kleiner Haufen. Es sind wenige und wir sind viele. Immer mehr Menschen spenden Kleidung, Geld, Decken, immer mehr Menschen sammeln aktiv (am 30.06 von 17:00 bis 18:00 Uhr und am 01.07 14:00 bis 15:00 Uhr neben der Uni zum Beispiel) und geben es an Menschen in Not, immer mehr Menschen nehmen privat Flüchtlinge auf.

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Immer mehr Menschen zeigen, dass sie helfen möchten. Und dementsprechend waren auch die Reaktionen auf die Aktion der Identitären. Es müsse eine Gegenaktion stattfinden—und das passiert jetzt: Lukas, Lucas, Liz und ich haben uns zusammengetan, um sie umzusetzen. Ich bin glücklich, in einem Land aufgewachsen zu sein, das uns so viel Sicherheit gewährt. Ich bin dankbar, dass es so gekommen ist—aber unser Geburtsort ist nicht unser Verdienst. Er macht uns nicht zu etwas Besonderem. Vielmehr verpflichtet es uns, jenen Menschen zu helfen, denen dieser Lottosechser nicht in die Wiege gelegt wurde.

Es kann nicht sein, dass Menschen monatelang unter lebensbedrohlichen Umständen nach Österreich kommen, um dann von der Identitären Bewegung in Empfang genommen zu werden. Flüchtlinge sollen Nachrichten von denen zu lesen bekommen, die sich über ihre Ankunft freuen.

Flüchtlinge sollen Botschaften lesen, aus denen hervorgeht, dass wir uns freuen, dass sie überlebt haben und dass wir ihnen über die traumatisierenden Erfahrungen hinweghelfen wollen, die sie erlebt haben. Den Leuten muss mitgegeben werden, dass es auch bei uns Menschen gibt, die auf Neid scheißen und auf (ja) Nächstenliebe setzen—und das sind viele. Ich habe das Glück, dass meine Arbeitsstelle hinter diesem Projekt steht. Also:

Ab heute freuen wir uns über eure Nachrichten. Schreibt den Menschen in Traiskirchen (auf Englisch), was ihr ihnen sagen möchtet. Schreibt ihnen, dass wir uns darauf freuen, von ihnen zu lernen, schreibt ihnen etwas, das sie glücklich macht. Wir sind nicht die österreichische Politik, wir sind nicht die FPÖ, wir sind schon gar nicht die Identitäre Bewegung. Wir sind die, die nicht mehr zusehen können, wie in unserem Namen mit Menschen in Not umgegangen wird. Das Postfach wird am Mittwoch, den 1. Juli, geöffnet. Also schickt eure Willkommensbotschaften bitte erst ab dem 30. Juni, damit sie nicht verloren gehen.

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Schickt uns eure Briefe und Postkarten (bitte keine Pakete) an:

Hanna Herbst
Postfach 32
1043 Wien

Oder schickt die Nachrichten einfach digitalisiert per Mail an: hanna.herbst@vice.com.
Ab jetzt kann man auch digital Briefe schreiben. Auf #aufstehn die Nachrichten schreiben, dort werden sie auf Postkarten gedurckt.

Wir werden die Briefe und Mails dann mit anderen Menschen, die helfen möchten, durchgehen und den Asylsuchenden in Traiskirchen überbringen. Fragen bitte ebenfalls an hanna.herbst@vice.com. Hatemail gegen „Masseneinwanderung" und „Gutmenschentum" bitte direkt im Klo runterspülen. Sagen wir den Menschen, dass sie willkommen sind.