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Das Cafe Neko im Herzen des Ersten Wiener Bezirks ist weird. Nicht, weil man neben Kratzbäumen, Katzenspielzeug und Riesenkatzen sitzt, die sich höchstwahrscheinlich von Luchsen entwickelt haben – wirklich, eine der Katzen hat mir mit ihrer Größe ein bisschen Angst gemacht, als ich mit den Catastrophe & Cure Jungs Tee bestelle. Nein, es ist einfach ungewohnt in einem Café zu sitzen und keine Musik zu hören. Auch nicht so leise, dass man vielleicht nur die Höhen der Hi-Hats hört. Verständlich, denn die Katzen würden wahrscheinlich durchdrehen, wenn sie den ganzen Tag Ö3 hören würden. Würde ich auch. Gewöhnungsbedürftig ist es trotzdem.
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Dabei soll’s heute um Musik gehen. Genauer um das neue Mini-Album Blank Spots, das die sechs Steyrer zum ersten Mal komplett selber aufgenommen und gemischt haben. Mini deshalb, weil sich “nur” sechs Songs darauf finden. Beim Interview ist die Band aber nur zu viert, weil Lukas gerade in Berlin arbeitet und Raphael gegen Katzen allergisch ist. Also unterhalte ich mich mit Johannes, Sebastian, Maximilian und Patrick über Zyklone, ob sie aus Österreich raus wollen und was Flöhe mit der Produktion ihres Vorgängeralbums zu tun haben.
Noisey: Warum habt ihr nur ein Mini-Album gemacht?
Johannes: Zwei Gründe, eigentlich: Im Prinzip ist uns das Format sehr egal. Die sechs Songs sind in sehr kurzer Zeit entstanden und wir haben gemerkt, dass sie einen roten Faden und eine gewisse Dramaturgie verfolgen. Wir hätten eigentlich auch noch weiter Songs geschrieben, aber haben dann bemerkt, dass es genau so schon passt. Die andere Sache ist, dass man an Alben ewig lange arbeitet und bis es veröffentlicht wird, vergehen Jahre und es entspricht überhaupt nicht mehr der Musik, die man jetzt [Katze miaut] machen würde. Das ist dann einfach nicht mehr repräsentativ. Unsere Songs sind im letzten Dreiviertel Jahr entstanden und dadurch gehen wir mit Songs auf die Bühne, die nicht älter als ein Jahr sind.
Habt ihr euch also schon an den alten Songs abgespielt?
Johannes: Live geht’s eigentlich. Die Arbeit im Studio ist da eher das Problematische. Wenn du wirklich lange an einem Album arbeitest, kommst du an einen Punkt, ab dem du die Songs meistens schon total hasst.
Maximilian: Du willst ja so schnell wie möglich raus und den Song spielen.
Johannes: Je mehr Zeit zwischen schreiben und aufführen liegt, je mehr koppelst du dich vom Feeling ab, dass du beim Schreiben eigentlich hattest. Deswegen haben wir auch gesagt, wir schreiben jetzt nicht noch krampfhaft vier Songs oder machen vier Interludes oder 27 Outros, damit wir zwangsweise auf zwölf Songs kommen. Vor allem, weil ich so das Gefühl habe, dass in den letzten Jahren Alben rausgekommen sind, auf denen fünf handfeste Songs drauf sind und der Rest sind Lückenfüller.
Habt ihr das Album selber aufgenommen, einfach, weil ihr die Möglichkeiten jetzt hattet?
Sebastian: Beim letzten Album haben wir einfach erkannt, dass wir alles mittlerweile selber machen und dabei Geld und Zeit sparen können.
Johannes: Die Geldersparnis ist nicht unbedingt ein Grund, sondern dass du dir nicht genau drei Wochen Zeit nehmen musst, in denen alles passiert. Aber wenn wir uns sowieso immer zum Proben treffen, arbeiten wir einfach kontinuierlich an den Sachen weiter. Beim Mischen ist es auch angenehmer, keinen Mittelsmann zu haben. Du musst es sonst ja wieder jemandem vermitteln, der deine konkrete Idee umsetzt für dich. Wenn du das auslässt, kannst du am Ende sagen, es ist genau so wie wir das wollen.
Man kann es aber auch so sehen, dass ein Außenstehender etwas Neues reinbringen kann, oder?
Johannes: Total.
Sebastian: Das kann etwas Gutes sein, das kann aber auch mühsam sein.
Also wolltet ihr einfach nicht, dass jemand etwas an eurer Vision ändert?
Patrick: Wir haben vorher mit anderen Leuten zusammengearbeitet und dabei viel Erfahrung gesammelt. Wir wollten das jetzt nutzen und schauen, ob wir es selber auch schaffen, ein Album völlig alleine zu produzieren.
Johannes: Ich bin froh, dass wir die ersten beiden Alben mit Markus [Birkle von den Fanta4, Anm.] in Stuttgart aufgenommen haben, weil wir dessen Meinung und Input total schätzen. Aber es macht einfach Spaß, alles einmal selber zu machen.
Sitzt ihr dann alle vorm Computer und mischt das gemeinsam oder wie funktioniert das bei euch?
Johannes: Gemischt hab’s ich. Es ist meistens so, dass ich mit dem Grundgerüst der Songs komme und dann wirft jeder seine Ideen in den Topf rein. In dem Fall bin ich der Topf und ich sortier dann aus, was sich mit der großen Idee deckt. Darum war es auch naheliegend, dass ich das gleich mische.
Akzeptieren das die anderen dann auch immer so, wie der Johannes das macht?
Sebastian: Das sind letztendlich immer Konsensentscheidungen.
Johannes: Meine Rolle als Filter der ganzen Ideen funktioniert ja auch nur, weil mir die anderen vertrauen.
“Ein Teil hat das Ganze Zeug von den Flöhen reingewaschen, ein Teil war im Studio und ein anderer Teil hat auf einer Baustelle ausgeholfen.”
Wenn wir schon bei eurer Albumproduktion sind: Ihr habt ja eine schöne Story zur Produktion eures letzten Album, die auch mit Flöhen zu tun hat.
Johannes: Ja, möglicherweise ist das jetzt eine Noisey-Exklusiv-Story. Das hat damit angefangen, dass wir am alten Nordbahnhofgelände in Stuttgart in subventionierten Künstlerwohnungen schlafen konnten, als wir unser zweites Album dort aufgenommen haben. Wie es halt oft so ist, ist der Hygienestandard nicht optimal dort. Also eigentlich wirklich unter aller Sau. Die hatten dort auch einen riesigen Hund. Der hat in mit einer der Künstlerinnen und ihrem Partner in einem Zimmer gewohnt und das war dann auch der Seuchenherd. Sie war noch dazu schwanger. Da ist schon ein Gesundheitsrisiko gegeben.
Sebastian: Die haben auch mit den Hunden im Bett geschlafen. Und dann war das so, dass sie meinte, der Hund hätte Flöhe, aber sie hätten eh schon Teebaumöl gekauft. In der ersten Nacht war es noch halbwegs erträglich. Der Patrick hatte nur einen Biss am Bein. Nach der zweiten Nacht sind wir aufgewacht und ich schau rüber zu Patrick und neben mir am Kopfpolster sehe ich die Flöhe rumhüpfen.
Patrick: Aber du hast keine Bisse gehabt, die hab alle ich abgekriegt.
Johannes: Auf dem Sebastian haben sie sich nur fortbewegt. Er war die Floh-Autobahn.
Maximilian: Wir sind dann sofort ausgezogen von dort und haben uns so eine Chemie-Bombe besorgt, weil was willst du mit Teebaumöl anfangen? Wir haben uns dann aufteilen müssen. Ein Teil hat das Ganze Zeug von den Flöhen reingewaschen, ein Teil war im Studio und ein anderer Teil hat auf einer Baustelle ausgeholfen, damit wir uns die restlichen Studiotage finanzieren können.
Johannes: Geil war ja auch, dass der Sebastian zu der Zeit nicht krankenversichert war und sich auf der Baustelle fast einen Stromstoß geholt hat, weil er gerade mit einer Starkstromleitung hantierte und jemand die Sicherung wieder reingab, weil der Licht brauchte [Katze miaut].
Was ganz anderes: Habt ihr mitbekommen, dass ein Zyklon namens “Debbie” gerade durch Australien wütete?
Johannes: Im Ernst jetzt? Oh, fuck. Gut, dass wir letzten Freitag schon unser Video rausgebracht haben.
“Also ich weiß nicht, inwiefern sich das Konzept der Hassliebe auf einen Zyklon übertragen lässt.”
Aber du singst ja eh “I hate you more”.
Johannes: Ja stimmt, aber ich sing auch “I love you more”. Also ich weiß nicht, inwiefern sich das Konzept der Hassliebe auf einen Zyklon übertragen lässt.
Maximilian: Wirtschaftlich gesehen hat ein Zyklon schon den ein oder anderen Vorteil.
Johannes: Ich glaub, das ist so wie bei Juli und “Die Perfekte Welle”. Da war doch das mit dem Tsunami in Thailand oder? Ungünstig.
OK machen wir lieber Themenwechsel: Ihr seid ja schon seit einiger Zeit aktiv. Habt ihr schon genug vom kleinen Österreich?
Johannes: Nein, Österreich ist super. Man sollte als Künstler nicht so abgehoben sein und sagen, dass Österreich so klein und so ein Schaß ist. Man muss für sehr viel sehr dankbar sein. Gerade so eine Infrastruktur wie mit den ganzen Clubs oder einem Radiosender wie FM4 [Katze miaut]. Es wird mir auch nach dem 27sten Mal nicht zu blöd, in Wien zu spielen. Es finden sich immer neue musikbegeisterte Leute. [Katze miaut] Wir denken jetzt nicht so wahnsinnig viel darüber nach, was mit unserer Musik in oder außerhalb von Österreich passiert.
Maximilian: Vor fünf oder sechs Jahren war die Mentalität eine ganz andere. Man hat zuerst ein Album gemacht, dann abgewartet, wie das in Österreich funktioniert und dann nach draußen getragen. Und das hat sich stark geändert. Viele junge Bands, die im letzten Jahr aktiv waren, machen sich schon beim Produzieren Gedanken, wie sie ihre Musik nach draußen bringen können.
Johannes: Und das ist etwas, das ich eigentlich kritisieren will. Als Musiker hast du einzig die Verpflichtung, Musik zu machen, die du als künstlerisch wertvoll ansiehst. Und wir haben die Platte gemacht und sind super happy damit. Was aber jetzt damit passiert – ob das Leute gut oder schlecht finden –, liegt ja nicht in unserer Hand. Wenn das jetzt niemanden interessiert, dann soll’s so sein. Aber das sollte nie für eine Band ein Grund sein, dass man aufhört.
Aber man will ja trotzdem Leute mit seiner Kunst erreichen.
Johannes: Ja sicher, ich will ja auch nicht schmälern, dass Sachen wie Promo notwendig sind. Aber wir sind froh, dass wir das Marketing abgeben konnten und uns auf die Musik konzentrieren können. Was, glaube ich, auch bei ganz vielen Bands am Anfang gar nicht steht, welche Musik sie machen wollen, sondern welches Konzept sie haben sollen und wie sie das am deutschen oder englischen Markt einbringen sollten. Das sind berechtigte Gedanken, aber die haben mit Kunst nichts zu tun. Das ist Marketing.
Ich würde behaupten, dass ein Image noch nie so wichtig war wie heute.
Maximilian: Ja, komplett. Es gibt aber auch sehr viel Projektionsfläche für Images. Das hat’s vor 20 Jahren noch nicht gegeben.
Johannes: Es ist uns ja auch klar, dass wir ein gewisses Image haben. Möglicherweise ist unser Image, zu sagen: “Scheiß aufs Image.” Aber es ist ja völlig OK, wenn ein Image über die Zeit entsteht. Vielleicht bin ich aber auch einfach Romantiker, wenn ich sage, dass so etwas nicht der erste Gedanke sein soll. Es ist interessant, wenn du bei Bands eine gewisse Entwicklung mitbekommst. Das macht Bilderbuch ja auch viel interessanter für mich als Wanda, weil sie eine Geschichte haben und sich in gewisser Hinsicht neu erfunden haben.
Indie-Musik, so schwammig dieser Begriff auch sein mag, ist ja gerade eher antizyklisch. Was, denkt ihr, muss passieren, damit Indie wieder glorious wird?
Johannes: Ich glaube, dass es nie so richtig weg war. Du hörst ja auch bei Bands in dem Genre, dass sie plötzlich elektronische oder HipHop-Einflüsse haben. Das ist ja auch das Schöne, dass dort verschiedene Sachen zusammenkommen und jeder kann den Begriff Indie für sich selber auslegen.
Alles klar, danke fürs Gespräch! [Katze miaut]
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