Amnesty International bescheinigt uns „fast völliges Versagen mit Kriegsflüchtlingen“

Screenshot: Amnesty Austria via Twitter

Unzureichende medizinische und soziale Versorgung, Ignoranz und Gedankenlosigkeit im Umgang mit Flüchtlingen, ineffiziente Verwaltung, prekäre Situation für Kinder und Jugendliche ohne Begleitung und Massenobdachlosigkeit von 1.500 Menschen—und das nicht irgendwo in den Flüchtlings-Auffanglagern in der Türkei oder dem Libanon, sondern mitten in Österreich.

Das ist das mehr als niederschmetternde Fazit der „Research-Mission”, die Amnesty International Österreich vergangene Woche im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen durchgeführt hat.

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Schon in den vergangenen Wochen und Monaten wurde immer deutlicher, dass das Flüchtlingsheim Traiskirchen seinen Aufgaben nicht mehr gewachsen ist und dort menschenunwürdige Bedingungen herrschen, über die wir bereits vor über einem Monat berichtet haben.

Zwischenzeitlich haben sich die Flüchtlinge selbst in Form einer kleinen Demo organisiert—was innerhalb der Mauern von Traiskirchen aber konkret vorgeht, konnte bisher nur auf verwackelten Handy-Fotos und -Videos erahnt werden, da Journalisten der Zugang verwehrt wurde und nur die einquartierten Menschen selbst das Material nach draußen schaffen konnten.

Traiskirchen ist das zentrale Symptom für ein weitreichendes strukturelles Versagen des föderalen Österreich im Umgang mit Asylwerbern.

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich

Am 6. August besuchten Vertreter der Menschenrechtsorganisation Amnesty International mit einer kleinen Experten-Delegation Traiskirchen, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. In einer Pressekonferenz sagte Heinz Patzelt, der Generalsekretär von Amnesty International-Österreich, dass es sich bei der derzeitige Situation um nichts Geringeres als um einen „Menschenrechtsskandal” handeln würde und ortete ein „fast völliges Versagen Österreichs mit Kriegsflüchtlingen”.

Das Fazit des Amnesty Austria-Berichtes ist brutal und angesichts des Reichtums unserer Alpennation ziemlich schockierend: Traiskirchen sei völlig überbelegt, es gebe nur unzureichende medizinische und soziale Versorgung, zudem leicht vermeidbare administrative Hürden, Verzögerungen beim Weitertransport in andere Einrichtungen und eine besonders prekäre Situation für Kinder und Jugendliche.

Laut Amnesty International scheitert es in Traiskirchen schon an den Grundvoraussetzungen: „Österreich ist weder in einer finanziellen Misere noch in einer ressourcenknappen Situation: Das Versagen in der Flüchtlingsversorgung wäre leicht vermeidbar, die Ursachen sind vor allem administrative Fehler. Ein System, das die Menschenrechte von Asylwerbern schützt und respektiert, ließe sich ohne wesentlichen Kostenaufwand verwirklichen”, sagte Patzelt.

So werden Jugendliche und deren Eltern beispielsweise getrennt voneinander untergebracht. Patzelt spricht einen konkreten Fall an, bei dem ein zwölfjähriger Bub und dessen Vater lieber gemeinsam im Freien schlafen, als getrennt voneinander im Innenbereich.

„Die Menschen müssen oft lange, manchmal sogar tagelang warten, bis sie behandelt werden. Dadurch können ersthafte medizinische Probleme entstehen.”

Der Arzt Siroos Mirzaei zur medizinischen Situation in Traiskirchen

Zum Zeitpunkt des Amnesty International-Besuches mussten rund 1.500 Menschen draußen schlafen, außerdem sei das Anstellen um Identitätskarten konfus und ineffizient, wodurch beispielsweise Schwangere Frauen stundenlang bei sengender Hitze warten müssten.

Der Mediziner Siroos Mirzaei kritisiert im Amnesty-Bericht, dass es teils Stunden oder sogar Tage dauern würde, bis Menschen in Traiskirchen behandelt werden und ortet ein personelles Problem: Es gibt im Lager nur vier Ärztinnen und Ärzte, die den Großteil ihrer Zeit mit Kontrolluntersuchungen bei der Registrierung der Menschen beschäftigt seien. Die sanitären Anlagen seien zudem ebenfalls in katastrophalem Zustand.

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