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Telefonieren ist das dümmste, was du mit deinem Smartphone machen kannst

Jedes Mal, wenn ein neues Smartphone auf den Markt kommt, übermannt mich ein Gefühl der Enttäuschung. Denn so sehr das elegante Design meinem Auge auch schmeichelt, so ausgefeilt die Benutzerführung und so anspruchsvoll die neue Technologie auch sein mag, eine wirklich wichtige Funktion wurde bis heute nicht implementiert. Seit Jahren sehne ich mir dieses eine entscheidende Feature herbei: Ich möchte mit Smartphone benutzen können, ohne gleichzeitig angerufen werden zu können.

Es ist mir sowieso ein Rätsel, warum Telefongespräche auch im Jahr 2014 noch zur gesellschaftlichen Normalität gehören. Dabei scheint der Trend eindeutig: Allein im Jahr 2013 ist das Datenvolumen unter deutschen Smartphonenutzern um 70 % gestiegen, während die vertelefonierten Minuten nur noch um einen lächerlichen Prozentpunkt zugenommen haben. Für das aktuelle Jahr liegen noch keine Zahlen vor, aber die Richtung dürfte klar sein.

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Für alle, die immer noch zwanghaft meinen, ihr Smartphone für das Telefonieren nutzen zu müssen, ist es mir ein inneres Bedürfnis, hier ein für alle mal gegen die weitere Verwendung dieses wirklich veralteten Standards zu plädieren.

Ein Anruf ist meist ein unhöflicher Eingriff in die Privatsphäre.

Sobald du jemandem deine Telefonnummer gibst, händigst du ihm damit auch eine Fernbedienung über einen kleinen Lautsprecher aus, den du permanent mit dir herum schleppst. Du überlässt ihm die Kontrolle über ein Gerät, dass du meist eng am Körper trägst—und gibst der Person die Macht, es aufleuchten, klingeln oder vibrieren zu lassen. Quasi rund um die Uhr.

Der Mensch am anderen Ende der virtuellen Leitung weiß in den meisten Fällen nicht, was ich gerade mache und, ob ich mich in einer für eine Telefongespräch günstigen Situation befinde. Trotzdem plagt die meisten Menschen keinerlei Scheu, mich anzuklingeln. Wenn das nicht unhöflich ist?! Jedes Mal, wenn mein Handy in meiner Tasche klingelt ist es, als würde jemand meine Schultern packen und „Heeeeey!” rufen. Völlig unabhägig von meiner IRL-Situation. „Heeeeeeey!” Und es hört einfach nicht auf. „Haaaaallooo!”

Natürlich kannst du dein Telefon auch ausschalten, wenn du nicht gestört werden willst—zum Beispiel während deiner Führerscheinprüfung oder einer Beerdigung. Aber warum ist es eigentlich sozial vollkommen akzeptiert, während weniger wichtigen Ereignissen angerufen zu werden. Wenn du zum Beispiel gerade zwei Bierkästen die Treppe hoch trägst?

Als WhatsApp vor ein paar Monaten seine Empfangsbestätigung einführen wollte, empörte sich die Bevölkerung über den Verlust ihrer Privatsphäre. Aber wie können sich Menschen über so etwas aufregen, während sie gleichzeitig nichts dagegen einzuwenden haben, jemanden mit einem unüberlegten Telefonanruf aus seinem Alltag zu reißen?

Dein Smartphone ist so viel mehr als nur ein Telefon. Das macht Anrufen doppelt unhöflich.

Wir kennen das doch alle: du siehst, wie ein Hund auf eine Taube kackt und das ist das Lustigste, was du in deinem Leben je beobachten durftest. Schnell zückst du dein Smartphone, aktivierst die Kamera und… plötzlich ruft dich jemand an und fragt, ob du schon eine Idee hast, was ihr Sarah zum Geburtstag schenken könntet. Das wars dann mit deinem persönlichen viralen Tier-Fail-Video.

Ein Smartphone hat hunderte Funktionen und ein Anruf setzt sie alle außer Kraft.

Ein Smartphone hat hunderte von Funktionen und ein Anruf setzt sie alle außer Kraft. Eine ziemlich frustrierende Angelegenheit, vor allem wenn du Sarah nicht einmal leiden kannst.

Die wesentlich sympathischere Alternative ist eine SMS oder eine Chatnachricht. Eine ungleich liebevollere Kommunikationsform, weil dein Gesprächspartner selbst entscheiden kann, wann er oder sie sich zurückmeldet. Außerdem musst du ihn mit einfühlender Hingabe von der wahren Dringlichkeit deiner Meldung überzeugen.

Ein Großteil der 110 Milliarden Telefonminuten, die mit deutschen Handys allein im Jahr 2013 verplappert wurden, hätten wir uns also einfach sparen können. Trotzdem gibt es bis heute Menschen, die sich mit fadenscheinigen Argumenten für das Telefonieren in die Bresche werfen:

Falsch: „Telefonieren ist viel praktischer”

Die schlimmste Art von Anruf ist die, wenn du mit jemandem über Facebook oder WhatsApp diskutierst und die andere Person plötzlich die geniale Idee hat, den Hörer in die Hand zu nehmen. „Ja, hi, ich rufe an, weil ich dachte, das ist einfach bequemer gerade.” Mein bester Kumpel hat mir das 2009 einmal angetan. Seitdem haben wir nicht mehr miteinander gesprochen.

Nur weil deine Finger zu dick oder zu langsam sind, eine Nachricht schnell ins Eingabefeld einzutippen, bedeutet das nicht, dass ein Telefongespräch genau das ist, auf das dein Gesprächspartner gerade sehnsüchtig gewartet hat. Du kannst nicht ganz alleine entscheiden, was für zwei vollkommen verschiedene Menschen angenehm ist, du kleiner Prinz. Ich persönlich fände es übrigens auch sehr angenehm, wenn du das Geschirr spülen könntest, das sich in meiner Küche stapelt, aber bedeutet das, dass ich dich kidnappe und dir eine Spülbürste in die Hand drücke? Merkst du selber, ne?

Falsch: „Telefonieren spart Zeit

Eine weitere Lüge der Pro-Telefon-Lobby!!! Du kannst ganz einfach jemandem, den du seit zwei Wochen nicht gesehen hast, eine SMS mit folgendem Inhalt schicken: „wollen wir heute abend zusammen was essen?”. Keiner würde auch nur einen Gedanken daran verschwenden, dass daran etwas seltsam wäre.

Wenn du allerdings jemanden anrufst, musst du dich zu allererst dem obligatorischen Freundlichkeitsritual unterwerfen. Ein pflichtbewusstes „Wie gehts dir?” führt dann schnell zu Geschichten über die unglückliche Partnerschaft oder langweilige Anekdoten vom letzten Wochenende. Das alles absorbiert eine Menge Energie und alles was du eigentlich willst, ist Essen gehen! Schon hast du keine Lust mehr auf eine Verabredung, die doch eigentlich dein sehnlichster Wunsch als soziales Wesen war.

Falsch: „Telefonieren beugt Missverständnissen vor”

Wie schade. Missverständnisse sind oft extrem lustig und die einzigen Begebenheiten, die deiner öden Existenz ein wenig Farbe verleihen. Bitte enthaltet mir das nicht vor!

Falsch: „Den ganzen Tag auf einen Chat-Bildschirm zu starren, ist schlecht für die Augen”

Hallo Mutter? Bist du das?

Handy-Telefonie basiert noch immer auf minderwertiger Technologie.

Warum sollte ich jemanden auf seinem Handy anrufen, wenn das Gespräch jeden Moment dadurch unterbrochen werden kann, dass du zum Beispiel „zu nah an einer Wand stehst”? Erstaunlicherweise ist ein guter Empfang noch immer keine Selbstverständlichkeit in der Mobiltelefonie.

Keine Ahnung, ob die Technologie dabei einfach geschlafen hat oder ob die Netzanbieter so sehr damit beschäftigt sind, ihr hart verdientes Geld anderweitig aus dem Fenster zu werfen, aber… Ach, lass uns einfach realistisch bleiben, die Netzanbieter sind schuld. Das ist für Euch: ╭∩╮(︶︿︶)╭∩╮

Öffentliche Telefongespräche nerven deine nähere Umgebung.

Was fremde Menschen an ihrem Handy so zu besprechen haben, ist leider furchtbar langweilig. Ohne Ausnahme. Normale Unterhaltungen sind schon leidlich faszinierend, aber wenn dir auch noch die eine Seite vorenthalten wird, ist es einfach grausam.

Öffentliche Anrufe sind also nicht nur unhöflich, sondern geradezu abstoßend. Hört auf, mich mit euren Gesprächen über den Elektriker heute vormittag zu langweilen—wie die Frau neben mir in der U-Bahn vorhin. Außerdem heißt es Erdung und nicht Boden.

Während eines Telefongesprächs kannst du nichts anderes machen (außer kilometerlang durch deine Wohnung wandern).

Das ist vor allem dann erwähnenswert, wenn dich deine Mutter zu einem dreistündigen Kommunikationskaffeeklatsch verpflichtet. Du kannst nicht aufs Klo gehen, du kannst dein Fahrrad nicht ordentlich abschließen, du kannst dir nichts kochen, du kannst nicht wirklich etwas essen, wenn du dich weiterhin einigermaßen verständlich ausdrücken und deinen letzten Rest Etiquette wahren willst. Du betrittst quasi das Alcatraz des Informationsaustauschs.

Vielleicht denkst du jetzt: Warum benutzt du dann nicht einfach so ein apartes Bluetooth-Headset?

Bonus: Nein, Bluetooth-Freisprecher sind nicht die Lösung

Auch wenn du als Motherboard-Leser sicherlich eine gewisse Toleranz technisch eher eigenwillig eingestellten Menschen mitbringst, wirst du zugeben müssen, dass selbst die futuristischen Bluetooth-Freisprech-Systeme einfach inakzetabel sind. Liebe Freisprecher, wollt ihr eigentlich mal wissen, wie bescheuert ihr ausseht? Es wirkt als würdet ihr Selbstgespräche führen—und das ist auch noch eine Beleidigung für all die Personen, die aufgrund einer psychischen Macke tatsächlich gelegentlich einen Plausch mit sich selbst führen. Viele könnten diese armen Menschen mit euch Freisprech-Deppen verwechseln. Also, lasst das bitte bleiben. Hört auf, freihändig zu telefonieren.

Und überhaupt, hört bitte einfach auf, mit dem Handy zu telefonieren.