Wir haben geweint, wir haben gelacht, wir waren verzweifelt, wir sind an die Grenzen unseres Verstandes getrieben worden und die Rede ist nicht von Sex: Dieser Tage geht der Wahlkampf in den Endspurt—oder, ein bisschen weniger sportlich gesagt, in die Sterbephase.
Bevor wir aber endgültig den Stöpsel aus dieser Siech-Wahl ziehen und uns in das Zwischenreich der Koalitionsanbahnungen, Sieges-Statements und Verlierer-Analysen begeben, wollen wir euch noch ein letztes Mal die schönsten Fails der diesjährigen Wiener Lügenperiode auftischen—diesmal also nicht die besten Wahlkampf-Fails der Woche, sondern die besten Fails des gesamten Wahlkampfs.
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Dafür haben wir aus euren 10 Sieger-Fails die 5 schönsten ausgewählt und rufen euch mittels Abstimmung zum ultimativen Showdown auf. Und bevor es soweit ist, hier noch das Ergebnis von letzter Woche:
Auch, wenn sich das Team Stronach mit seinem Rechtsruck alle Mühe gibt, im Fahrwasser der FPÖ zu fischen, schaffen sie damit leider nur genau das, was man immer erreicht, wenn man in Fahrwasser fischt: nämlich, dass man die Angel ins Leere hält, weil der große Rechtsdampfer die Fische längst alle vertrieben oder eingefangen hat. Insofern geht auch der letzte Fail-Sieg des Wochen-Wahlkampfs an niemand anders als den ewigen Verlierer-Gewinner Heinz-Christian Strache.
Wer so viele Verschwörungs-Postings und erwiesene Lügen teilt und dann auch noch bei den eigenen Inseraten auf die Gaga-Logik von nicht-falsifizierbaren Konspirationsgläubigen setzt, der hat den Höhenflug bei den Fails redlich verdient.
Und jetzt ein letztes Mal auf zur Stimmabgabe der Fails, bevor es am Sonntag hoffentlich für alle, die wählen dürfen, zur richtigen Stimmabgabe weitergeht:
Strache inszeniert sich als Bundespräsident
Foto: Screenshot via YouTube
Es ist ein bisschen wie bei jedem Video, dessen Release spannender ist als der eigentliche Inhalt: Eigentlich gibt es zu Straches betont staatsmännischem Minifilm zur Lage der Notstandsnation nicht sehr viel mehr zu sagen, als man auch schon dem Vorschau-Bild entnehmen konnte.
Ja, er tut betroffen; nein, er steht nicht plötzlich auf und zeigt, dass er eigentlich gar keine Hosen trägt. Parteipolitisch halten sich die Überraschungen auch in Grenzen (die seiner Meinung nach wahrscheinlich nur Richtung Ungarn offen gehalten gehören, um Orbán genügend Bundesheer-Unterstützung zum Schulterklopfen rüberzuschicken).
Das einzige, was man sich vorher vielleicht nicht gedacht hätte, ist, wie schlecht Strache sich als Staatsmann macht. Nicht nur, dass die düstere Postapokalpsen-Kulisse wirkt, als hätte Emmerich sie für Independence Day 3: Aliens in Austria entworfen—nein, Heinz-Christian Strache hat auch echte Probleme, im richtigen Tempo vom Teleprompter abzulesen und macht so viele unpassende Pausen, dass es fast an Ron Burgundy in Anchorman erinnert, der jedes Fragezeichen auch dann vorliest, wenn es bei der Anmoderation hinter seinem Namen steht.
Das Ganze hat eigentlich nur genau ein Gutes: Niemand kann jetzt noch sagen, wir hätten nicht vorher gesehen, wie ein regierender Strache wirken würde. Und es wäre eine ziemlich dunkle, dystopische Katastrophe.
Eine ÖVP-Kandidatin solidarisiert sich mit Anti-Homo-Ehe Aktivistin
Wien war politisch mal eine bürgerlich-konservative Stadt. Das liegt halt nur schon zirka 150 Jahre zurück. Bei der Wahl am Sonntag wird es für die ÖVP knapp, 10 Prozent zu erreichen. Ihre „Hochburgen” liegen in ein paar wenigen Bezirken und das Klientel der Stadtpartei ist mittlerweile ein recht überschaubare Truppe aus Hietzinger Villenbesitzer, Gymnasiumsfetischisten und last but not least—Kirchgängern.
Aus dieser Fraktion stammt auch Gudrun Kugler, Theologin, Juristin und Listenerste im Bezirk Penzing. Die fromme Kandidatin setzte sich auf Facebook jüngst vermehrt mit dem Hashtag #FreeKimDavis für die in den USA kurzzeitig inhaftierte, gleichnamige Standesbeamtin ein, die sich geweigert hatte, den neuesten Gesetzen entsprechend, ein schwules Paar zu trauen. Ihre Freilassung feierte Kugler mit den Worten „Bravo, Kentucky!”
Neben diesem Anti-Homo Engagement fällt Kugler ansonsten mit Posting-Zitaten wie „Die vernünftigen Menschen passen sich der Welt an, die Unvernünftigen versuchen sie zu verändern” auf. Wenn das mal nicht ein Statement zu reformorientierter Politik und dem aktuellen ÖVP-Motto „Kurswechsel jetzt!” ist.
Marcus Franz vs. Menschenrechte
Marcus Franz schafft es immer wieder, für Gesprächsstoff zu sorgen. Am Samstag ärgerte er sich anscheinend so über den Amnesty International-Bericht zu Traiskirchen, dass er zum Gegenschlag ausholen musste. Wie können die sich denn auch anmaßen, die grauenhafte Situation im Erstaufnahmezentrum zu kritisieren und sich gleichzeitig für Menschenrechte einsetzen? Sexarbeit will Amnesty International entkriminalisieren und den Zugang zu sicheren Abtreibungen verbessern. Ein Skandal.
Der Gute ist ja bekannt dafür, dass er—und nur er—weiß, was mit dem Körper einer Frau zu machen ist. Angrapschen ist super, Sex gegen Geld zu tauschen nicht. Vielleicht schwingt dabei einfach auch die Angst mit, das nächste Mal zur Kasse gebeten zu werden.
Seine Anti-Choice-Einstellung ist ganz Parteilinie. Im ÖVP-Grundsatzprogramm steht: Die Menschenwürde ist für uns in keiner Lebensphase verhandelbar. Wir lehnen den Schwangerschaftsabbruch ab. Sie haben wohl vergessen, dass ungewollt Schwangere auch Menschen sind.
… Und ja, Straches neuer Rap
Mit jedem neuen Strache-Rap ist es ein bisschen wie mit einem Riesenkübel Chicken-Nuggets: Zuerst weiß man nicht, wo man anfangen soll, dann kann man nicht anders, als sich bis zum Ende durchzubeißen und am Ende schämt man sich für sich selbst und alle, die diese Sache auch nur im Entferntesten ermöglicht haben.
Danach schwört man sich meistens, dass einem so etwas nie wieder ins Haus (oder eben: ins Medium) kommt, aber der Vorsatz hält eben nur, bis sich ein neuer Kübel aus fetttriefendem Müll förmlich aufdrängt. Jetzt ist es also wieder passiert. Der Strache-Rap, nicht der Nugget-Flash. Die Kollegen von Noisey waren sogar bei der Video-Premiere des neuen HC-Raps in der Bettelalm dabei und haben sich bereits formschön an den Fragen abgearbeitet, die dieses Stück Dada-Musik aufwirft.
Deshalb bleibt uns eigentlich nur zu ergänzen: Wer nicht mal echte Pensionisten für sein Video findet, und Bruno Kreisky zwar zitiert, aber nur halbe Sätze sagen lässt („Ich bin der Meinung…”), der darf sich auch nicht wundern, wenn junge Menschen glauben, dass jede Partei eine Satire-Organisation ist.
Und hier geht’s zur letzten Abstimmung für diesen Wahlkampf: