Die Wienwahl auf VICE: Heinz-Christian Strache am Viktor-Adler-Markt

Vor kurzem erzählte mein Kollege Jonas davon, wie er neulich Taxi fuhr und ihm der Fahrer erklärte, er würde am 11. Oktober die FPÖ wählen. Das ist erst mal keine Sensation, aber die Begründung hat eine Erwähnung verdient: Er würde FPÖ wählen, weil heutzutage Politiker wie der ehemalige FPÖ­-Finanzminister Karl-Heinz Grasser ungestraft davon kommen würden. Die FPÖ als Allzweckmittel; auch gegen die (alte) FPÖ. Das ist Teil der Wirklichkeit, mit der wir in Wien gerade zu tun haben.

Vorbereitet durch diese Geschichte verwunderte es mich auch wenig, dass die ehemalige ÖVP-Bezirksvorsteherin am Samstag im Dirndl am Viktor-Adler-Markt erschienen ist und hier den FPÖ-Fans erklärt hat, sie wäre für die Arbeiter und die kleinen Leute da. Hunderte applaudierten.

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Danach war der Applaus der selbsternannten neuen Arbeiterklasse noch größer, als Heinz-Christian Strache verkündete, man müsste auch die Steuern für Österreicher senken, die mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen. Der Grundtenor des Events und gleichzeitig auch der FPÖ insgesamt ist dabei ziemlich überraschend und paradox, wenn man darüber nachdenkt: Man ist gleichzeitig Opfer (weil das ganze Geld ja an die Wirtschaftsmigranten und Banken geht) und etwas Besseres (weil man echter Österreicher/Patriot/Arbeiter ist).

Somit wird Alkohol neben Spendenboxen für großgeschriebene „ÖSTERREICHER in Armut” ausgeschenkt (auch, wenn mir auf meine Frage hin niemand sagen konnte, welche gemeinnützige Organisation dahinter steht) und unter Zicke­-Zacke-­Hoi-Rufen Après­-Ski-Stimmung für die „eigenen Leut” verbreitet.

Viele haben das Gefühl, sie wären verraten oder hintergangen oder einfach nur ausgelassen worden. So auch ein ehemaliger Bank-Angestellter, der die Arroganz und Freunderlwirtschaft unter Bürgermeister Häupl anprangert, aber sein SPÖ­Parteibuch wegwarf, weil er trotz Parteimitgliedschaft keine Gemeindebauwohnung bekam; mit der Begründung, er verdiene zu viel und es gäbe eben keine Freunderlwirtschaft mehr.

Die Grundbotschaft, die ich von vielen Anwesenden zu hören bekomme: „Mit den Flüchtlingen bleibt kein Geld für uns Österreicher.” Die Antwort auf die Frage, ob es ihnen denn vor den Flüchtlingsströmen besser ginge, war dabei immer ein kurzes, bündiges „Nein.”

Und trotzdem ist es wichtig, diesen ­und auch anderen­ FPÖ-­Wählern zuzuhören. Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Jobs profitiert in ihrer Lage auch von den Errungenschaften der Sozialdemokratie in Österreich: Zum Beispiel von der Auflösung patriarchaler Strukturen durch Neuregelung des Güterrechts (ist bei ­Scheidungen ausschlaggebend) oder einfach nur vom unter der SPÖ eingeführten kostenlosen Kindergarten in Wien. Gleichzeitig fühlt sich genau diese Mutter aber bei der FPÖ zu Hause, weil diese abseits von Regierungsverantwortungen und Fakten ein Image vorlebt, das ihr Hoffnung auf Aufstieg und eine bessere Zukunft macht.„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit statt Ampelpärchen“, wie Strache sagt.

Es geht dabei weniger um die Argumente, es geht mehr um die generelle Aufbruchstimmung und Verheißung einer besseren Welt. Viele stellen sich für ein Selfie mit Strache an, wenige kannten sein genaues Programm.

Der Schritt von Stimmungsmache zu Fakten war dann doch ein so großer, dass er fast im Spagat endete und ließ sich nur mit noch mehr Bier und Schweins­stelze bewerkstelligen. Finanziert sollen die sozialen Wahlzuckerl trotz Steuerkürzungen für alle (auch für Reiche) durch „Einsparungen von 150 Millionen Euro bei Vereinsförderungen der SPÖ in Wien”, so Johann Gudenus. Bei Nachfragen, was das für Vereine seien, führte er dann einen Kulturverein der Grünen an, der mit 536.000 Euro im Jahr subventioniert werde. Das ist zwar keine Lösung, aber ein Anfang. Und wenn wir uns ehrlich sind, sind wir alle empfänglich für diese Art von einfachen Antworten. Wir stehen schließlich alle mit einem Fuß im Viktor-Adler-Markt.

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