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In eigener Sache

Das ist der letzte deutsche Motherboard-Artikel

Tech-Journalismus auf VICE geht weiter, aber Motherboard Deutschland gibt's nicht mehr. Die Autorinnen und Autoren sagen nach fünfeinhalb Jahren Tschüss und Danke.

Geschichten an der Schnittstelle zwischen Technologie und Gesellschaft, dafür steht Motherboard, das Tech-Magazin von VICE. Im Sommer 2013 ging die deutschsprachige Motherboard-Website online, rund fünfeinhalb Jahre, Tausende Artikel und zwei Podcast-Staffeln später ist mit Motherboard Deutschland Schluss.

VICE fasst seine deutschsprachige Berichterstattung nun auf einer Website zusammen, über Technologie wird fortan auf VICE.com berichtet. Auch die vergangenen Geschichten von Motherboard lassen sich dort finden.

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Bevor wir den Blick nach vorne richten, möchten wir aber noch einmal zurückschauen. Hier schreiben die Autorinnen und Autoren, welche Recherchen sie nicht vergessen werden und wofür sie Motherboard geliebt haben.

"Werde den Motherboard-Aufkleber bis zum letzten Fitzel tragen" – Theresa Locker

"Genmanipulierte Babys, rechte Trolle, Online-Waffenhandel – Motherboard hat sich immer von der Frage leiten lassen, wie solche komplexen und hochpolitischen Themen möglichst gut aufbereitet werden können und einzuschätzen sind. Für uns lag die Antwort im Menschlichen und Persönlichen. Technik verändert uns so, wie wir uns die Zukunft bauen.

Und so konnten wir Videos drehen mit reuigen Drohnenpiloten, kletterten in Fusionsreaktoren herum, ließen uns von größenwahnsinnigen Darknet-Dealern Urlaubsgeschichten erzählen und uns von rappenden Cybercrime-Kiddies beleidigen, recherchierten sehr lange über Desinformation auf Facebook und präsentierten die Ergebnisse sehr albern auf der Bühne der re:publica.

Wir haben uns tief gehendes Checkertum über obskure Memes genauso wie über BKA-Exploits erarbeitet, wir hatten eine gesunde journalistische Respektlosigkeit gegenüber Themen, die zu groß anmuten – und wir hatten: sehr, sehr viel Spaß. Ich werde Motherboard heftig vermissen, weil es nie um luftige Konzepte oder langweilige Geräte ging, sondern letztlich um uns. Den Laptop-Aufkleber mit dem Motherboard-Logo werde ich bis zum letzten Fitzel mit Stolz durch die Gegend tragen."

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"Vor der Veröffentlichung entstand Goldstaub" – Max Hoppenstedt

"Als wir im Sommer 2013 Motherboard in Deutschland gestartet haben, ging es uns um die weniger beachteten und noch nicht recherchierten Geschichten, die erzählen, wie Internet-Kultur, Digitalisierung und wissenschaftlicher Fortschritt unseren Alltag verändern.

Wir standen bei Kunden eines Online-Shops vor der Tür, die sich wegen rechter Facebook-Hetze mit Pistolen eingedeckt hatten, und wir telefonierten mit Ehemännern, die ihren Frauen Spyware aufs Handy installiert hatten. Wir standen in einem fränkischen Dorf, das wegen eines YouTubers terrorisiert wurde, und wir redeten mit Studenten, die beim Lernen von einem SEK-Einsatz aufgeschreckt wurden, weil ihr Kommilitone im Darknet Waffen vertickt hatte.

Aufstieg und Fall von Migrantenschreck: Unterwegs im rechten Waffensumpf

Kurz vor der Veröffentlichung hatten wir dann oft nochmal besonders viel Spaß. Wenn es darum ging, eine passende Überschrift und Aufmachung für unsere Geschichten zu finden, entstand Goldstaub wie: 'Mathegenie wütet, weil niemand seinen 500-Seiten-Beweis der ABC-Vermutung liest'.

Ich durfte mit einem wunderbaren Team und mit tollen Journalisten am Motherboard-Desk sitzen. Dafür bin ich dankbar und stolz. Den ehemaligen Motherboard-Kolleginnen und Kollegen wünsche ich genauso viel Spaß und spannende Recherchen bei ihrer Arbeit bei VICE.com."

"Geiler Tech-Journalismus mit cleveren Leuten" – Jan Lindenau

"Da war im Frühjahr 2018 diese Anzeige auf Twitter: Gaming-Autoren gesucht. Gezeichnet: Motherboard. Ein wenig später bekam ich von einem Redakteur eine Bierflasche in die Hand gedrückt und dazu das Gefühl: Wenn du hier mitmachst, wird das eine verdammt gute Zeit für jeden. Und ja, das war es. Ich machte mich für den wunderbaren Podcast 'Radio Motherboard' auf die Suche nach Doping im E-Sport, fand später einen 'Fortnite'-Schwarzmarkt, spazierte mit vier kaputten iPhones in einen Apple-Store.

Tech-Journalismus auf VICE.com geht weiter. Ihr habt Hinweise zu Geschichten, die wir unbedingt recherchieren sollten? Dann schickt gerne eine E-Mail an Theresa und Sebastian – oder schreibt uns verschlüsselt auf Signal unter +49 152 1012 4551 .

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Und auch wenn dieses viel zu kurze Jahr jetzt vorbei ist: Für Motherboard zu arbeiten, das wird für mich immer heißen, geilen Tech-Journalismus mit cleveren Leuten zu machen. Und das zusammen ist alles andere als selbstverständlich."

"Kühn, experimentierfreudig, immer neugierig" – Dominik Schott

"Mitten während meiner Recherchen über eine Nazi-Community, die in einem Online-Rollenspiel andere Spieler von den Servern jagt, wurde mir plötzlich klar: Es ist wirklich verdammt cool, dass ich das hier gerade machen kann.

Motherboard schenkte Platz für aufwendige Reportagen, etwa über die berüchtigte 'Rape Taverne' von World of Warcraft oder über die Programmierer tausendfach gespielter Hitler-Mods. Es gab auch Platz für Interviews mit Menschen, die sonst nicht gehört oder schlicht ignoriert werden. Motherboard und die Menschen dahinter waren kühn, experimentierfreudig, immer neugierig. Sie werden mir fehlen."

"Ohne Motherboard hätte ich nie den Pi-Tag gefeiert" – Christine Kewitz

"Darknet und Schwarze Löcher: Eine Kombination, die nicht nur visuell wahnsinnig gut funktioniert. Das war Motherboard. Ich war jedes Mal freudig überrascht (und das passierte recht oft), wenn sich ein Top-Wissenschaftler aus seiner Arbeit reißen ließ und mir von seinem Mini-Schwarzen-Loch oder dem frisch erschaffenen schwärzesten Schwarz erzählte.

Popkultur und Astrophysik verschmolzen elegant zwischen explodierenden Zauberwürfeln und Gravitationswellen. Ohne Motherboard hätte ich nie den Pi-Tag gefeiert – und auch nicht seinen Bruder, den Tau-Tag. Danke Motherboard, wir treffen uns in diesem Computerspiel namens Universum zu einer Runde Schnick Schnack Schnuck."

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"Ich plumpste in ein endloses Rabbit Hole" – Johannes Hausen

"Wie vom Gammablitz getroffen fühlte ich mich, als es im Januar 2015 hieß: Du gehst zu Motherboard! Würde ich fortan meine Zeit mit Chemikern verbringen müssen, die seit zwölf Jahren nicht geduscht haben und in der Mittagspause Stammzellen-Menüs verputzen? Ja, und es war großartig! Nach einem zaghaften Sprung ins kalte Wasser ('Deinen ersten Artikel schreibst du über eine analoge Bitcoin-Überweisung!' – 'OK.'), plumpste ich noch weiter in ein endloses Rabbit Hole namens Reddit.

Gebannt verfolgte ich hier, wie aufgeweckte Internetnutzer kurz nach München 2016 wohl einen weiteren Amoklauf verhinderten, und ein Zeitzeuge des Holocausts den Generationen Y und Z eine faszinierende Geschichtsstunde in Form eines AmA gab. Ja, Technologie verbindet, kann aber auch Angst machen, wenn sie in die falschen Hände gerät, und ist vor allem höchst amüsant, wenn sie menschliche Züge entfaltet und die Hundescheiße im Wohnzimmer verteilt. Ach ja, wie nennt man einen veganen Jäger? Jeganer!"

"Ein Tag, an dem es nur um Technik und Menschen geht" – Johannes Drosdowski

"Liebes Motherboard, wir waren nur eine wirklich kurze Zeit zusammen, aber dafür so intensiv. Bei dir habe ich gemerkt, wie das so funktionieren kann mit dem Journalismus und der Technik – und wie viel Spaß das macht. Für dich durfte ich tagelang TikTok suchten, mit Wikipedianerinnen darüber reden, wie Männer sie sabotieren wollen, und ausnahmsweise mal die katholische Kirche für etwas loben, statt sie nur zu dissen.

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Das beste aber: Morgens, gleich als erstes, schließt der Chef den großen, leuchtenden Motherboard-Schriftzug an die Steckdose an und beginnt damit einen Tag, an dem es sich nur um Menschen und Technik dreht. Ausgesteckt wird die Leuchtreklame erst, wenn alle feierabendbereit ihre Laptops zugeklappt haben. Letztens war ich noch mal in der Redaktion. Vor den Kolleginnen leuchtete es noch immer: Motherboard."

"Neugier auf die Zukunft" – Sandra Sauerteig

"Motherboards Themenspektrum war groß: Von A wie Antimaterie bis Z wie Zeitreisende war so ziemlich alles dabei. All diese Stücke verbindet eine große Neugier. Neugier auf das, was Menschen in der Wissenschaft, in den Gaming-Communities und den YouTube-Kommentarspalten bewegt. Neugier auf das, was die Zukunft bringt. So konnten wir ein paar Antworten auf die kleinen und großen Fragen unserer Zeit liefern: Wieviel Fake News stecken in deutschen Nachrichten? Kann ein Igel dein iPhone vor Hackern schützen? Und warum zur Hölle liegt da überhaupt Stroh?

Für mich persönlich steht die Zeit bei Motherboard vor allem für die Zusammenarbeit mit tollen, talentierten Menschen, die meine flachen Wortwitze stets mit einem Lächeln gekontert haben. Eine Frage, die mir bis heute niemand zufriedenstellend beantworten konnte: Warum hängt dieser armen Robbe ein Aal aus der Nase? Wer die Antwort kennt, möge sich bitte melden!"

"Skurrile Geschichten, ernste Recherchen" – Martin Pfaffenzeller

"Wenn jemand schreibt 'Fick dich ins Knie!', ist das etwas ganz anderes als das Meme 'Anzeige ist raus' – allein schon für diese Lektion aus meinem Interview mit Toto von Toto & Harry hat sich die Zeit bei Motherboard gelohnt.

Dazu haben wir herausgefunden, wer das Smartphone des Mörders Hussein K. geknackt hat, was hinter der tödlichen Substanz Nowitschok steckt und dass die EU einen Stahlkonzern förderte, der Nordkoreaner ausbeutete. So fand Motherboard immer eine Mischung aus skurrilen Geschichten und ernsten Recherchen, einen Mix, den ich so sonst nirgendwo gefunden habe."

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"Großer Quatsch ist ernst und Ernst ist großer Quatsch" – Anna Biselli

"Manchmal ist großer Quatsch ernst, ein andermal Ernst großer Quatsch. Und manchmal weiß man gar nicht, wo das eine anfängt und das andere aufhört. Zum Beispiel wenn man mit Andi Scheuer im Bus auf Brandenburger Käffer fährt, um per Knopfdruck ein Funkloch zu stopfen. Das hat Motherboard mir jeden Tag gezeigt und so verhindert, dass man über deprimierenden Recherchen den Spaß an der Neugier verliert.

Und noch etwas hat mich Motherboard gelehrt: Hinter all den lustigen, traurigen und wütend-machenden Geschichten stecken spannende Menschen. Sie alle können einem noch was beibringen – egal ob es darum geht, dass Brot beim Backen richtig aufgeht, wie man sich fühlt, wenn die Polizei im Kinderzimmer steht, oder was der Klimawandel und die Domain von Tuvalu miteinander zu tun haben."

"Wir durften die weirden Dinge ausgraben" – Nicola Staender

"'Wer mit dem Rad zur Arbeit kommt, kann das auch für seine Arbeit nutzen', sagten die Kollegen und verdonnerten mich gleich zu Beginn zu meinem ersten (und einzigen) Selbstversuch: Eine Woche so umweltfreundlich wie möglich leben. Das hieß auch: Mit dem Fahrrad aus Kreuzberg nach Wedding fahren, um Kneipenbesitzer Feral Günsav zu porträtieren, dessen Überwachungskamera zufällig (und illegal) Silvio S. aufgenommen hatte – den Mann, der 2015 den kleinen Mohamed vom LaGeSo entführt und später getötet hat.

Für Motherboard stellte ich auch die Frage: Wie sehr lassen wir uns überwachen, um uns sicher zu fühlen? Das Politische im Digitalen sichtbar machen, das war für mich das Herz der Arbeit bei Motherboard. Während andere Tech-Outlets sich meist mit neuen Gadgets oder Plattformen beschäftigten, durften wir die weirden Dinge ausgraben: Furzende Ziegen, die ein Flugzeug zur Notlandung treiben, Astronauten, die gerne Shrimp-Cocktails trinken oder die Zusammenstellung der fiesesten Eröffnungen beim Schach."

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"Bin für Motherboard nach Berlin gezogen" – Richard Diesing

"Für ein Praktikum bei Motherboard bin ich nach meinem Abitur nach Berlin gezogen – und ich hätte mir keinen besseren Start in der Hauptstadt vorstellen können. Mit einem Team aus Freundinnen und Freunden, mit denen ich bis heute noch zu tun habe.

Ich habe herausgefunden, was mit Hasskommentaren auf YouTube passiert, von einem Blinden gelernt, wie er das Internet nutzt und kenne endlich die zehn meistgeklickten Fragen auf Gutefrage.net – und die wissenschaftlichen Antworten darauf. Mit Motherboard verliert die deutsche Medienlandschaft ein unterhaltsames und oft investigatives Tech-Medium. Vielen Dank für die tolle Zeit!"

"Hinter jedem LOL steht ein Mensch" – Dennis Kogel

"Irgendwann schrieb ich für eine interne Präsentation die Worte 'Hinter jedem LOL steht ein Mensch'. Damit wollte ich unsere Reihe 'Meme History' erklären – und musste lachen, weil das gleichzeitig nach diesem selbstüberhöhendem Reportersprech und völligem Blödsinn klingt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr merke ich: So blöd ist das gar nicht.

Denn hinter jeder noch so witzigen, abstrusen Geschichte aus Netz, Tech, Gaming, Wissenschaft stecken Geschichten davon, wie sich unser Verständnis vom Menschsein verändert. Das hat für mich die Arbeit bei Motherboard ausgemacht. Der Versuch, mit viel Menschlichkeit und Empathie an jedes noch so technische Thema ranzugehen. Egal ob es um Otter geht, defekte Türen, um Wissenschaftswunderkinder oder warum hier Stroh liegt. Vermissen werde ich aber am meisten, Teil dieses Kollektivs aus den wundervollsten KollegInnen überhaupt zu sein."

"Von der Zukunft lasse ich mich gern erschrecken" – Sebastian Meineck

"The future is wonderful, the future is terrifying, dieser vieldeutige Slogan fasst zusammen, was mich an Motherboard begeistert hat. Ja, das ist unheimlich, wenn Kinder ihr Smartphone mehr vergöttern als ihren Teddy oder wenn Fremde fleißig mitschreiben, worüber ich mit Alexa plaudere. Aber Angst und Panik sind die schlechtesten Antworten auf die Probleme der digitalen Gesellschaft.

Bei näherem Hinsehen ist die Filterblase ein Missverständnis, TikTok ist der wundervolle Ort, an dem sich die Welt zum Tanzen trifft, und auf YouTube brechen Menschen Tabus, die uns seit Generationen belasten. Die Zukunft ist aufwühlend, das hat mir Motherboard beigebracht, und ich lasse mich gern von ihr erschrecken."

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